Polyurethan-Kanister waren am Wochenende in Möhringen frei zugänglich Foto: StN

Der Bau eines Regenüberlaufkanals in Möhringen ist ein Reizthema: Um Gestank, Lärm, Parkplatznot geht es – und jetzt auch um Gefahrstoffe. Übers Wochenende waren mehrere Paletten mit Polyurethan völlig ungesichert. Der Stoff gilt als gesundheitsschädigend.

Stuttgart - Mehrere schmale Straßen führen im Gebiet Salzäcker hinunter zur Körsch. Sie sind stark frequentiert von Spaziergängern, Hundebesitzern und Grundschülern. Die Kreuzung Im Schießgärtle/Steinbrunnenstraße ist allerdings seit mehr als einem Jahr eine Baustelle für einen Regenüberlaufkanal. An deren östlicher Abgrenzung lagerten mehrere Paletten Polyurethan zumindest übers Wochenende völlig ungesichert, ein Kanister war beschädigt.

„Wir haben die ausführende Firma selbstverständlich sofort aufgefordert, das Material zu sichern“, sagt Klaus Hofmann vom Tiefbauamt, Leiter des Bereichs Neckar/Filder. Da hatte die Baufirma aber schon selbst Hand angelegt und rot-weiße Bauabschrankungen rund um die Kanister mit PU 309 gestellt.

PU 309 ist Polyurethan-Injektionsharz, das in Baugruben zum Einsatz kommt. Es stabilisiert lockeres Gestein, Sand und Kies. „Damit wurde beim Bau des Regenüberlaufkanals unter anderem der Boden verfestigt, damit die Fräse nicht einsinkt“, erläutert Klaus Hofmann. Polyurethan gilt als gesundheitsschädlich beim Einatmen und steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Deshalb sind zahlreiche Schutzvorkehrungen zu beachten, wenn mit dem Material gearbeitet wird. „Natürlich ist PU auch im Baufachhandel zu bekommen, aber so etwas darf nicht ungesichert rumstehen, schon gar nicht auf einem Schulweg“, sagt Hofmann.

Nicht alle Anwohner der Baustelle hatten die Panne bemerkt, die meisten leiden eher unter Lärm, Dreck und Gestank, und das schon seit Herbst 2013. Damals wurde der Baustart für den Regenüberlaufkanal gegeben, nach wenigen Monaten ging der Subunternehmer in Insolvenz, der für den Vortrieb des Kanals zuständig war.

„Das hat uns drei bis vier Monate Verzögerung eingetragen“, sagt Hofmann. Danach stießen die Bauarbeiter auf einen Felsen, was zusätzlich Zeit kostete. Die auf dem Bauplakat avisierten 18 Monate Bauzeit und die Fertigstellung im Rohbau im Frühjahr 2015 sind längst nicht mehr zu halten, Hofmann stellt jetzt den Sommer 2015 in Aussicht.

In der Nachbarschaft liegen die Nerven längst blank. „Meine Mutter ist jetzt 89 Jahre alt und pflegebedürftig, sie leidet sehr unter dem Krach“, sagt Elisabeth Diederich. Auch im Haus direkt neben der Baugrube, bei Gerda Willinsky, ist an Ruhe nicht zu denken: „Alles vibriert den ganzen Tag, manchmal rumpelt es, und bei dem Brummen der Fräse und des Stromaggregats hört man nicht mal das Radio. Da wird man schon fast aggressiv“, sagt sie. Ärgerlich findet sie insbesondere, dass die Baustelle nicht in der Wiese gegenüber eingerichtet wurde, angeblich aus Gründen des Landschaftsschutzes.

Klaus Hofmann kennt die Nöte der Anwohner von Ortsterminen und der Bürgersprechstunden, die zuletzt vor vier Wochen stattgefunden hatte. „Die Belästigung kann man nicht wegdiskutieren“, sagt er, „aber wir rechnen damit, dass der unterirdische Vortrieb bis Weihnachten beendet ist.“ Damit würden zumindest die von der Fräse ausgelösten Vibrationen und Geräusche enden.

Nicht allein die Kanalarbeiten dauern bis lange ins Jahr 2015 an, sondern auch der Bau eines Betriebsgebäudes im hinteren Schießgärtle und der Bau einer Wendeplatte kommen noch auf die Anwohner zu. Erst dann ist vielleicht wieder das Murmeln der Quelle zu hören, die neben der Baustelle in den rechtwinkligen, in Stein gefassten Steinbrunnen plätschert.