Dachdecker bei der Arbeit. Könnten klassische Handwerkerjobs in Zukunft auch von den Kommunen erledigt werden? Foto: dpa

Das Handwerk geht auf Konfrontationskurs mit Bürgermeistern und kommunalen Spitzenverbänden. Diese planen – flankiert vom Innenministerium –, in großem Stil ins Geschäft mit Handwerkerdienstleistungen einzusteigen.

Stuttgart - Das Handwerk in Baden-Württemberg wehrt sich energisch gegen Pläne, die penibel austarierte Aufgabenteilung zwischen kommunalen Betrieben und der Privatwirtschaft zulasten des Handwerks auszuhebeln. „Warum etwa sollten Stadtwerke Beleuchtungssysteme für private Firmenparkplätze anbieten?“, fragt Oskar Vogel, Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Handwerkstags (BWHT). „Warum sollten Meldeämter Passfotos anfertigen?“

Der Vorrang für die Privatwirtschaft, seit Jahren ein grundlegendes Prinzip der Beziehungen zwischen öffentlicher Hand und Betrieben vor Ort, ist nach Ansicht des Handwerkstags zusehends gestört. Insbesondere, da eine breite Front aus Bürgermeistern, kommunalen Spitzenverbänden wie dem Energieverband VKU und dem Städtetag, unterstützt vom Stuttgarter Innenministerium, derzeit eine weitere Attacke auf die private Wirtschaft reitet.

Seit dem Jahr 2006 sind städtische Eigenbetriebe, etwa Bauhöfe oder Stadtwerke, bei ihrer Tätigkeit im Kern auf die öffentliche Daseinsvorsorge – also etwa die Bereitstellung von Wasser und Energie oder die Abfallinfrastruktur – beschränkt. In allen übrigen Bereichen treten private Anbieter als Auftragnehmer auf. Ausnahme: Die Gemeindebetriebe verfügen über Fähigkeiten, die die Privatwirtschaft nicht hat. An diesem System, das ordnungspolitisch einen Vorrang für die Privatwirtschaft definiert, wird nun offenbar durch eine Gesetzesvorlage gerüttelt, die im Stuttgarter Innenministerium kursiert. Ein Arbeitsentwurf sieht vor, die Gemeindeordnung so zu ändern, dass die Vorfahrt für die Privatbetriebe grundsätzlich nur noch dann gelten soll, wenn sie Dienstleistungen „besser oder wirtschaftlicher“ erfüllen als die Gemeinde, wie es Vogel ausdrückt. Den Beweis ihrer Fähigkeiten müssen die Handwerker antreten. Das aber ist laut Vogel fast nicht möglich. Kurz: Städtische Firmen graben der privaten Konkurrenz das Wasser ab, so die Befürchtung.

Vor allem fürs Handwerk ist eine stärkere Konkurrenz staatlicher Betriebe ein Horrorszenario. „Wer private Betriebe verdrängt, schadet allen“, sagt Vogel. Der Wettbewerb werde beeinträchtigt, und am Ende würden sich die Kommunen über eine schwindende Wirtschaftskraft und damit sinkende Steuereinnahmen wundern. BWHT-Präsident Joachim Möhrle wird noch deutlicher: „Die Oberbürgermeister sind Fürsten in ihrem Bereich. Die glauben, sie können machen, was sie wollen.“ Fehlinvestments in erneuerbare Energien und teure Netzkonzessionen machten besonders Stadtwerken zu schaffen. Nun suchten sie nach Möglichkeiten, anderswo Geld zu verdienen.

Der Handwerkstag sieht aber auch die Landesregierung in der Pflicht. „Für uns ist das die Nagelprobe, wie ernst es die Regierung mit der vielbeschworenen Mittelstandsförderung meint, sagt Vogel. Vom Stuttgarter Innenministerium hieß es, man stehe bei dem Thema noch „am Anfang“ und sei im Gespräch mit den beteiligten Interessengruppen.

Mit einem Gesamtumsatz weit über 80 Milliarden Euro und etwa 754 000 Beschäftigten ist das Handwerk weitaus größer als andere Leitbranchen des Südwestens, wie etwa die Fahrzeug- oder Maschinenbauindustrie. Allerdings ist es auch viel kleinteiliger organisiert.

Von den Querelen mit den Kommunen abgesehen, geht es dem Handwerk derzeit aber ziemlich gut. Anders als auf Bundesebene wuchsen die Umsätze der Südwest-Firmen im Jahr 2013 leicht auf 81,8 Milliarden Euro. Aktuell beurteilen fast zwei Drittel der Betriebe ihre Lage als „gut“. Die Auslastung liegt vielerorts bei 80 Prozent – auch das ein guter Wert. Insbesondere in industrienahen Gewerken spüre man den Aufschwung, so Möhrle. Dass sich die robuste Konjunktur derzeit nicht positiv auf die Jobs niederschlägt – im laufenden Jahr geht der BWHT von Stillstand aus –, liegt vor allem am mangelnden Angebot. „Wir finden schlicht keine Leute“, sagt Möhrle. Auch wenn viele Betriebe einstellen möchten, sei aus diesem Grund an Aufstockungen „sicher nicht zu denken“. Erstmals wurde beispielsweise im Jahr 2013 die fürs Südwest-Handwerk „magische Grenze“ von 50 000 Auszubildenden unterschritten. Vor zehn Jahren zog man noch rund 75 000 neue Handwerker heran. Zum Jahresende blieben rund 700 Lehrstellen unbesetzt. Besonders dramatisch ist die Lage im Nahrungsmittelhandwerk, wo es der Hälfte aller betriebe nicht gelang, alle ihre Lehrstellen zu besetzen. Als Folge werden auch die Meister knapp. Man gehe davon aus, dass pro Jahr rund 2000 Meister fehlen“, sagte Handwerkstags-Chef Möhrle. Betriebsübergänge in eine neue Generation würden so immer schwieriger.

Beim Thema Fachkräfteversorgung macht sich nach BWHT-Einschätzung auch Störfeuer aus Brüssel bemerkbar. Die Anstrengungen der EU-Kommission, Zulassungsbeschränkungen – etwa den Meisterzwang – europaweit abzubauen, wirkten negativ, hieß es. In Deutschland bilden nämlich rund 90 Prozent der zulassungspflichtigen Handwerksbetriebe Azubis aus. Bei zulassungsfreien Gewerken – also der von der EU bevorzugten Variante – seien es nur sieben Prozent der Firmen.