Sieglinde F. rechnet mit bösen Überraschungen in ihrem Briefkasten Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ältere Menschen werden häufig Opfer von Betrügereien. Dass man dabei aber auch an die Falsche geraten kann, zeigt der Fall einer 81-jährigen Stuttgarterin, die sogar auf eigene Faust ermittelt.

Stuttgart - Rentnerin Sieglinde F. (Name von der Redaktion geändert) will den Adressenschwindel, der mit ihrem Wohnsitz betrieben wird, nicht auf sich beruhen lassen (die Stuttgarter Nachrichten berichteten). Und auf den Zufall will sie ebenfalls nicht hoffen.

Dass ein Unbekannter sich unter ihrer Adresse angemeldet hatte und sie seit Sommer letzten Jahres an ihn gerichtete Rechnungen und Strafzettel bekommt, lässt der 81-Jährigen keine Ruhe. Doch da weder Polizei noch Ordnungsamt ihr helfen konnten, ermittelte Sieglinde F. auf eigene Faust – mit Erfolg.

Dabei kam ihr ein Strafzettel zur Hilfe. Die Seniorin hatte einen Brief geöffnet, der in ihrem Briefkasten lag. Nach dem ersten Schreck über den Strafzettel wegen Falschparkens warf sie einen Blick auf das Kuvert. Zwar war der Brief an ihren Wohnort adressiert, aber an einen Fremden gerichtet. Obwohl Sieglinde F. dem Mann noch nie begegnete war, ist ihr der Name inzwischen nicht mehr unbekannt.

Denn beim Bürgerbüro hatte sie erfahren, dass der Mann auf ihre Adresse angemeldet war. Den Eintrag konnte sie zwar löschen, doch die unliebsamen Briefe an ihn landeten weiterhin in ihrem Briefkasten. Polizei und Ordnungsamt waren trotz der Anzeige, die die Frau erstattete, machtlos. Denn den wahren Wohnort des Adressenschwindlers konnten sie bisher nicht ermitteln.

Frau F. ermittelte bei Werkstätten - mit Erfolg

Daher machte die Seniorin ihren unsichtbaren Mitbewohner kurzerhand selbst ausfindig. Da es sich bei dem Auto des Mannes laut des Strafzettels um einen schwarzen Mercedes handelt, kombinierte sie: „Wer ein teures Auto hat, bringt es nicht irgendwohin zur Wartung oder Reparatur.“ Sie recherchierte die auf Mercedes-Benz spezialisierten Autowerkstätten in Stuttgart und Umgebung und erfuhr dabei mehr, als sie sich erhofft hatte.

Der Mann ist nicht Kunde einer Werkstatt – er arbeitet dort sogar. „Mein Vater war auch bei der Polizei und hat mir beigebracht, wie man logisch denkt“, sagt Sieglinde F. stolz.

In der Überzeugung, damit der Polizei einen großen Teil der Arbeit abgenommen zu haben, eilte sie zum Polizeirevier in Stuttgart-Feuerbach, wo sie bereits im Juni vergangenen Jahres Anzeige erstattet hatte. Doch anschließend kehrte sie ernüchtert wieder zurück: „Viel Interesse haben die Beamten nicht gezeigt, dabei konnte ich ihnen die Adresse von der Arbeitsstelle geben.“ Nachdem ihre erste Anzeige schon keine Wirkung gezeigt hatte, rechnet sie auch jetzt nicht mit der Klärung ihres Falls.

Bei der Polizei zeigt man sich tatsächlich wenig beeindruckt von den Recherchen der Seniorin: „Es handelt sich bei einer Scheinanmeldung nach wie vor um keinen Straftatbestand“, sagt Thomas Ulmer, Sprecher der Stuttgarter Polizei. Es ginge dabei um eine Ordnungswidrigkeit, die von der Polizei ans Ordnungsamt weitergeleitet wird.

Doch beim Ordnungsamt verlief der Fall bisher im Sande, da der Bußgeldbescheid wegen der falschen Adresse nicht zugestellt werden konnte – und eine Person nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit zur Fahndung ausgeschrieben wird. „Ich werde auch Ganovin, wenn man so einfach mit Straftaten davon kommt“, ärgert sich Sieglinde F..

Hinter Scheinanmeldungen stecken häufig größere Delikte, wie beispielsweise Kreditkartenbetrug. Im konkreten Fall erhielt Sieglinde F. Handyrechnungen und Strafzettel. Offenbar ging es dem Adressenschwindler darum, mit ihrem Wohnsitz Handy- und Autoverträge abzuschließen. Für Sieglinde F. ist es unerträglich, dass ihre Adresse eventuell für kriminelle Machenschaften genutzt wird.

Hoffnung, dass der Adressenschwindler nun doch belangt werden könnte, macht ihr Beate Wiesner, Leiterin der Bürgerbüros in Stuttgart: „Wenn wir die Adresse der Arbeitsstelle des Mannes haben, können wir weiter ermitteln.“ Zunächst einmal sei es wichtig, den wahren Wohnort des Mannes herauszufinden. Anschließend könne dann ein Bußgeldbescheid zugestellt werden.

„Ich kann verstehen, dass es der Frau wichtig ist, die Sache aufzuklären“, sagt Wiesner. Fälle von Scheinanmeldungen bekommt sie häufig mit. „Bürgerbüros sind neben der Polizei die richtigen Ansprechpartner, wenn ein solcher Fall bekannt wird“, sagt sie.

Da es den Mitarbeitern der Bürgerbüros nicht möglich ist, jede Adressenangabe zu überprüfen, setzt man dort auf das neue Bundesmeldegesetz, das im Mai 2015 eingeführt wird. Denn dann müssen Mieter eine Bestätigung ihres Vermieters mitbringen, wenn sie im Bürgerbüro eine neue Adresse angeben. Scheinanmeldungen sollen damit in Zukunft vermieden werden.

Für Sieglinde F. kommt dieses Gesetz zu spät. Ihren unsichtbaren Mitbewohner wird sie durch ihren eigenen Einsatz vielleicht trotzdem endlich los.