Eine Übungsfahrt im Schonraum für Führerschein-Aspiranten Anfang der 1990er Jahre Foto: Kraufmann

Mehrere Generationen haben ihr erstes Mal mit Bremse, Kupplung, Gas am Solitudering erlebt. Jetzt steht die Generalsanierung des über 50 Jahre alten ADAC-Verkehrsübungsplatzes an. Im Stuttgart-Album schildern Leser, was sie dort als Auto- und Motorrad-Novizen erlebt haben.

Stuttgart - In Papas „spinatgrünem Audi 80“ durfte Petra Veiel ihre ersten Runden unweit des legendären Start-und-Ziel-Häuschens im Mahdental drehen. Bei der Solitude-Strecke, wo Rennfahrer bis ins Jahr 1965 mit Tempo 140 flitzten, hat sie Papas Kupplung „zerbröselt“, wie die Leserin auf die Facebook-Seite unseres Stuttgart-Albums schreibt: „Hätte es damals schon Icons gegeben, hätte mein Vater eines mit ,am Boden zerstört‘ gewählt.“

Alles ging bei ihr sehr schnell, wie sich Martina Ma erinnert: 1978 übte sie dreimal mit dem Auto auf dem ADAC-Verkehrsübungsplatz, weshalb der Fahrlehrer sie nach acht Stunden zur Prüfung anmelden konnte. Zwei Stunden nach Aushändigung des Führerscheins fuhr sie nach England in den Urlaub. „Als ich zurückkam, musste ich wieder lernen, wie Rechtsverkehr geht“, hat sie auf unserer Seite notiert.

Solitude-Rennen wurden 1965 verboten

Ein Schonraum für PS-Anfänger abseits des realen Verkehrs: Darum ging es dem ADAC, als er im Oktober 1964 den ersten Teil des Übungsplatzes eröffnet hat – bevor die Piloten auf der Rennstrecke vom damaligen Innenminister Hans Karl Filbinger aus Sicherheitsgründen für immer ausgebremst worden sind. Im Mai 1966 – da hatte das Land bereits die Solitude-Rennen verboten – ging die Erweiterung der Anlage in Betrieb. 50 Jahre liegt es zurück, dass der Übungsplatz zu seiner heutigen Form kam. Für den ADAC ist es nun höchste Zeit für die Generalsanierung. Sämtliche Straßenbeläge sollen erneuert werden. Noch in diesem Jahr will der Verkehrsclub mit dem umfangreichen Umbau beginnen. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Möglicherweise wird es im Herbst losgehen – der Übungsplatz wird dann für längere Zeit gesperrt.

Am Start-und-Ziel-Häuschen, auf dem einst die Werbeschrift von Bosch stand und später von Mercedes-Benz, wurden Lorbeerkränze um Siegerhälse gehängt. Zwischen 1903 und 1965 sind bei 35 Solitude-Rennen Motorräder und Sportwagen gestartet. Nach dem Krieg hob die Stadt am Renntag die Polizeistunde auf – Hunderttausende zog es zum Jubeln und Feiern an die Strecke.

Die erste Stunde kostet heute neun Euro

Mit Strohballen hat man die gefährlichsten Stellen gepolstert. Die Solitude wurde zum Opfer des Fortschritts, der immer schnelleren Autos. 1965 verweigerte Minister Filbinger die Genehmigung für ein weiteres Rennen. So endete in der Automobilstadt die alte Rennsport-Tradition für immer .

Zum Rasen, versteht sich, ist ein Verkehrsübungsplatz nicht da. Das Tempolimit liegt bei 30. Für die erste Stunde zahlt man heute neun Euro. Da oft Sicherheitskurse stattfinden, dürfen Fahranfänger meist erst um 16 Uhr auf die Anlage, die in der Regel ohne Ruhetag bis 19.30 Uhr geöffnet ist.

„Kupplung komma lassa!“ Nicht immer dient der Übungsplatz dem Familienfrieden, wie Michael Stöhr aus eigener Erfahrung berichtet: „Ende der 1980er ist mein Vater fast ausgeflippt als ich beim Bremsen die Kupplung nicht getreten und den Motor zigmal abgewürgt habe.“

Diskutieren Sie mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Geschichtsserie Stuttgart-Album erschienen.