Gruppenbild mit Mann: das mit Verve agierende Ensemble auf der Bühne. Foto: Mostbacher-Dix

Mit dem englischen Kriminalstück „Fünf Frauen und ein Mord“ feiert Regisseur Alexander Wenz seinem Einstand im Zimmertheater. Das kleine Theater im Heusteigviertel präsentiert damit bereits die dritte Eigenproduktion in dieser Spielzeit.

S-Süd - Autumn shades, calm my shaking hands, tender, cool breeze, keeps me where I am suddenly here, when I want to scream . . .“ Mit rauher, schock-gepresster Stimme beschreibt Alex Clare, wie er in Herbstschatten und kühlem Wind versucht, seine zitternden Hände zu beruhigen und schreien möchte. Zu den Klängen des britischen Sängers tastet sich eine wackelige Kamera eine düstere Waldstraße entlang. Die Videosequenzen zum Song „Whispering“ führen wie Vorboten in das ein, was nun auf der Bühne des ABV Zimmertheaters folgen soll: ein Thriller mit vielen Damen, einem lebenden und zwei toten Herrn. „Fünf Frauen und ein Mord“ heißt das Stück von Gladys Heppleworth, das der Regisseur Alexander Wenz für das älteste Amateurtheater Stuttgarts inszeniert hat. Bereits 1921 wurde es beim Allgemeinen Bildungsverein aus der Taufe gehoben, seit 1957 residiert es im Untergeschoss des Eduard-Pfeiffer-Hauses, des einstigen Landtags.

Überraschende Verhältnisse, gefährliche Liebschaften

Seit dem erleben in dem schnuckeligen Raum mit rund 50 Plätzen – an diesem Abend alle besetzt – Theater hautnah. Die Zuschauer in der ersten Reihe hätten Inspektor Hollister berühren können, als er – nach seiner Zitterpartie über den Waldweg – sein Fahrrad im Dunkel abstellend Vera Ratow ansprach. Die Gesellschafterin auf dem abgelegenen Landsitz Heartstone Manor soll in der Nacht den Hausangestellten Malcolm Shaugnessy die Treppe herunterschubst haben. Malcolm habe sie sexuell bedrängt, erklärte darauf Ratow: „Es war ein Unfall, ich habe mich gewehrt.“

Dass dies hernach die anderen Damen des Hauses bestätigten, wunderte Hollister weniger, als deren voneinander abweichenden Details. Erzählte nun Haushälterin Mrs Worthing ihrer Küchenhilfe Ruby, dass der fesche notorische Schwerenöter Malcolm seltsam verdreht am Treppenabsatz liegt – oder umgekehrt? Wie konnte Ruby am Fuße der letzten Stufe sein, wenn sie die Polizei holte? Oder hatte gar die geistig entrückte Jane, Tochter des Hauses, ihre Hände im Spiel? Erklärte doch das junge Mädchen, sie habe Malcolm umgebracht und beschrieb, dass in dem Landsitz ein weiblicher Geist sein Unwesen, die ihren Vater dieselbe Treppe herabgestoßen und umgebracht habe. Mrs Heartstone hatte freilich eine eigene Erklärung: „Mein Kind lebt in ihrer eigenen Welt – und nutzt die Wahrheit kreativer als andere.“ Indes lockte Jane – eigene Welt hin oder her – wiederum, den Inspektor aus der Reserve. Warum wird ein fähiger Witwer, Vater einer kleinen Tochter, in diese englische Einöde versetzt? Alkohol- oder und Frauenprobleme?

Zwischen Irrungen, Wirrungen, Whiskey, Portwein und Beruhigungsmittel griff schließlich Hollister selbst zur Flasche und hangelte sich durch überraschende Verhältnisse, gefährliche Liebschaften und allerlei Fetischen – pflegte doch der einstige Hausherr gerne nächtens im Ballkleid mit Malcolm ein Tänzchen zu schwingen – zu einem überraschenden Ende mit unanständigem Angebot. „Es gibt mehr als eine Wahrheit“, so sein Fazit.

Vom viktorianischen Zeitalter in die Gegenwart

Genau diese Frage nach der Wahrheitsfindung habe ihn gereizt, so der Regisseur Alexander Wenz. „Wir haben das Stück vom viktorianischen Zeitalter in die Gegenwart transferiert, aber aktuell ist nach wie vor: Nicht alles ist schwarz und weiß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag – jede Familie, jeder Mensch, alle haben ihre Geheimnisse.“ Absichtlich habe er daher einige Dinge offen gelassen, etwa Inspektor Hollisters Versetzungsgrund. Mit „Fünf Frauen und ein Mord“, das Wenz auch zunächst aussuchte, weil sich vor allem Frauen zum Mitspielen meldeten, gab der Regisseur sein Debüt am ABV Zimmertheater. Weitere Projekte seien schon geplant. „Es ist inspirierend mit Amateuren zu arbeiten.“ Seine Stücke gehe er gerne mit Improvisationsübungen an. „Ich versuche jeweils, den Charakter herauszuholen“, so Wenz.

Das ist ihm bei „Fünf Frauen und ein Mord gelungen“. Mit Verve gaben sich Valeria Spatafora, Christina Müller, Valerié Glasmeyer, Ines Braun, Heike Rüdinger sowie Karsten Teichmann in ihre Rollen als Ruby, Mrs Worthing, Vera Ratow, Jane, Mrs Heartstone und Inspektor Hollister. Auch H.P. Wilbert, künstlerischer Leiter des Zimmertheaters ist begeistert von der dritten Eigenproduktion seines Hauses in diesem Jahr. „Wir haben schon in anderen Bereichen zusammengearbeitet, ich habe Alexander Wenz ganz bewusst zu uns geholt.“