Das Plebiszit zum historischen Vertrag mit den Farc-Rebellen ist extrem knapp gescheitert. Steht jetzt in Kolumbien der Frieden auf dem Spiel?

Bogotá - Es war alles bereitet für eine rauschende Siegesfeier. Das Plebiszit sollte den letzten Punkt unter ein historisches Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) setzen. Doch spielte die Bevölkerung völlig überraschend nicht mit. Mit hauchdünner Mehrheit von knapp 60 000 Stimmen ließen die Kolumbianer das in fast vierjährigen Verhandlungen ausgearbeitete 297 Seiten starke Dokument durchfallen.

Ein konsternierter Präsident Juan Manuel Santos erkannte am Sonntagabend die Niederlage von 50,2 Prozent gegen 49,8 Prozent an und rief alle politischen Parteien zu einer Art nationalem Pakt zusammen, um die Konsequenzen aus dem Referendum zu beraten: „Ich werde nicht aufgeben und bis zum Ende meines Mandats für den Frieden kämpfen.“ An die Farc sandte der Präsident zugleich eine wichtige Botschaft: „Die Waffenruhe bleibt bestehen.“

Damit zerstreute er vorerst die Befürchtung der Rebellen, dass umgehend die Angriffe auf die Camps der Guerilla losgehen. Diese hatten eigentlich damit gerechnet, von Montag an die im Abkommen vorgesehene Demobilisierung in den vorgesehenen Rückzugszonen unter Aufsicht der Vereinten Nationen zu beginnen. Doch diese wie auch alle anderen Teile der Übereinkommen von Havanna sind null und nichtig. Ob sie neu verhandelt werden, ist fraglich. Im Vorfeld hatten dies sowohl die Farc als auch die Regierung ausgeschlossen.

Die Farc steht zum Friedensvertrag

Der Chef der Guerilla, Rodrigo Londoño alias Timochenko, erklärte schnell, dass die Farc zu dem Friedensvertrag steht: „Es bleibt dabei. Worte werden künftig unsere einzige Waffe sein.“ Bei der Frage der juristischen Verantwortung sind die Rebellen wenig kompromissbereit – sie wollen für ihre Taten nicht ins Gefängnis. Präsident Santos wird gegenüber der rechten Opposition um Ex-Präsident Álvaro Uribe gerade an dem Punkt Zugeständnisse machen müssen. Uribe forderte ein Abkommen, das keine Straflosigkeit für die Rebellen vorsehe und ihnen den Weg in die Politik versperre. Auch dürften die Wirtschaft und die Kolumbianer durch das Abkommen nicht stärker zur Kasse gebeten werden.

Der Ausgang des Plebiszits ist auch ein Sieg der Vergangenheit. 250 000 Menschen sind in dem Konflikt ums Leben gekommen, der 1964 begonnen hatte, als die Farc im Kampf für eine Landreform zu den Waffen griff. Sieben Millionen Menschen wurden vertrieben. Das gespaltene Land ist noch nicht bereit zu verzeihen.

Keine Prognose hatte diesen Ausgang des Referendums vorhergesehen. Alle Umfrageinstitute sagten eine Zustimmung von zwei Dritteln zu den Übereinkommen von Havanna voraus, die über fast vier Jahre zwischen den Linksrebellen und der Regierung mit breiter internationaler Unterstützung ausgehandelt und vor einer Woche im Beisein von Politprominenz aus der ganzen Welt unterzeichnet worden waren. Aber Millionen von Kolumbianern haben offenbar in den Umfragen ihre wahre Intention verheimlicht, zumal Medien und Regierung massiv für eine Zustimmung getrommelt hatten. Lediglich der rechte Ex-Präsident Uribe machte Werbung für das „No“. „Wir sind für Frieden, aber gegen dieses Abkommen“, wiederholte er ständig. Es würde das Land der Farc aushändigen.

Die Straferleichterungen lehnen viele Kolumbianer ab

Die Kolumbianer lehnten vor allem zwei Punkte des Friedensabkommens ab: die politische Beteiligung der Rebellen und ihre massiven Straferleichterungen. Der Friedensvertrag sieht für politische Straftaten eine weitreichende Amnestie vor. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen werden hingegen mit Strafen zwischen fünf und acht Jahren geahndet, wenn die Täter geständig sind und den Opfern Reparation leisten. Diese Strafen sollten aber nicht im Gefängnis, sondern durch eine Art gemeinnütziger Arbeit abgegolten werden.

Zudem sollten die zur politischen Partei konvertierten Farc in einer Übergangsphase sichere Sitze im Parlament bekommen. Bei der Parlamentswahl 2018 wäre ihren Kandidaten fünf Plätze im Senat und fünf Sitze im Abgeordnetenhaus garantiert worden. Vor allem dagegen hatten Uribe und seine Partei Centro Democrático gewettert: „Demokratien werden nicht gestärkt, wenn die Farc für ihre Massaker und den Drogenhandel mit Mandaten und Straflosigkeit belohnt wird“, giftete er.