Der einst so stolze Fußballverein TSV 1860 München liegt in Trümmern. Besonders die Schlussbilder der Saison werden in Erinnung bleiben. Foto: dpa

Randalierende Fans sorgen beim Abstieg von 1860 München für ein schlimmes Schlussbild der nationalen Fußballsaison. Die „Löwen“ versinken im Chaos: Präsident weg, Geschäftsführer geflüchtet, Trainer gescheitert - der Investor aber fühlt sich unschuldig.

München - Randale, Rücktritte, Ratlosigkeit: Der einst so stolze Fußball-Traditionsverein TSV 1860 München liegt nach dem von schlimmen Fan-Ausschreitungen überschatteten Absturz aus der 2. Liga in Trümmern. Eine ohnehin chaotische Saison endete mit skandalösen Begleitumständen und Rätselraten über den schwierigen Neubeginn. Im Mittelpunkt aller Zukunfts-Spekulationen steht der unberechenbare und mit seinen kühnen Visionen gescheiterte Investor Hasan Ismaik.

Der Jordanier, an dessen Geldtropf die „Löwen“ auch für den Erhalt der Drittliga-Lizenz hängen, sprach sich selbst von einer Mitschuld am Desaster frei. „Das hat nichts mit meiner Person zu tun, sondern dieser Verein ist momentan geprägt von skrupellosen Machtkämpfen und internen Querelen, die es nun zu beseitigen gilt. Nur dann hat der TSV 1860 wieder eine Zukunft“, übermittelte Ismaik via Facebook.

„Unsere erste Aufgabe ist es jetzt, einen konkreten Plan für die Zukunft zu machen“, teilte der Traditionsverein am Mittwoch mit und versicherte: „Mit dem Fall Dritte Liga haben wir uns bereits befasst.“ Aber wer setzt die Planungen unter Zeitdruck fort und um?

Schlussbilder waren besonders beschämend

Präsident Peter Cassalette trat direkt nach dem laut Ismaik „demütigenden“ 0:2 (0:2) im Relegations-Rückspiel gegen den aus der vierten Liga nach oben durchmarschierten SSV Jahn Regensburg zurück. Geschäftsführer Ian Ayre war schon vor dem Spiel geflüchtet. Die Rücktritte zeigten, „dass in unserem Verein vieles im Argen liegt“, kommentierte Ismaik. Der mit großen Ambitionen angetretene Trainer Vitor Pereira erklärte sein ambitioniertes „Projekt“ für gescheitert und hielt am Dienstagabend im Pressesaal eine Art Abschiedsrede - freilich ohne klares „Servus“. Ismaik äußerte sich zum Trainer nicht.

Die Schlussbilder der Saison waren besonders beschämend. Über 60 000 Zuschauer füllten die Allianz Arena. Sie sahen die Tore der klar besseren Regensburger von Kolja Pusch und Marc Lais. Ein gewaltbereiter Teil der 1860-Anhänger versuchte nach 80 Minuten, einen Spielabbruch zu provozieren. Stangen und Sitzschalen flogen auf das Spielfeld.

Schiedsrichter Daniel Siebert (Berlin) brachte die Partie nach einer Unterbrechung ohne größere Personenschäden über die Bühne. Zehn Polizisten wurden leicht verletzt. Der DFB-Kontrollausschuss nahm Ermittlungen auf. 1860 droht eine harte Bestrafung. Jahn-Torwart Philipp Pentke bezeichnete die Vorkommnisse als „Unding“. Er stand im Tor vor der 1860-Kurve, aus der immer wieder Gegenstände flogen.

Ismaik hat in den vergangenen Jahren Präsidenten, Trainer, Manager und Spieler verschlissen. Als Fußball-Laie hat er mit seinem vielen Geld keines seiner Märchenschlösser aus 1001 Nacht (Europapokal und ein eigenes Stadion) realisieren können. Er appellierte an die Fans, sich ihm bei der Umsetzung der nötigen Änderungen anzuschließen und den Verein in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen.

Den Neubeginn muss neues Personal bewerkstelligen

Das wild zusammengekaufte Team wird auseinanderfallen. „Wir waren nie zu hundert Prozent die Mannschaft, die wir sein sollten“, gestand Routinier Michael Liendl. „Wir haben heute gesehen: wir sind eine Mannschaft - und 60 nicht“, sagte Pentke, ein ehemaliger Sechziger.

13 Jahre nach dem Bundesliga-Abstieg hat der deutsche Meister von 1966 einen neuen Tiefpunkt in seiner bewegten Geschichte erreicht. Nach 24 Jahren sind die „Löwen“ wieder drittklassig. Das ganze Ausmaß des Desasters wird in einem Fünffach-Abstieg deutlich: Profis, U21, U19, U17 und U16 spielen künftig alle eine Klasse tiefer.

Sogar der gefeierte Jahn-Coach Heiko Herrlich äußerte Worte des Mitleids. „Mir tut es im Herzen weh, was hier bei 1860 passiert“, sagte der Ex-Nationalspieler. Herrlich fügte aber auch hinzu: „Es ist schwer, unter den Rahmenbedingungen hier zu arbeiten.“

Der erst im April vom FC Liverpool gekommene Geschäftsführer Ayre begründete seine überraschende Kündigung im „Liverpool Echo“ dann auch mit einem Richtungsstreit der 1860-Anteilseigner. Ismaik und der Verein hätten keine gemeinsame „Vision für den Verein“ verfolgt.

Die sportliche Verantwortung übernahm Trainer Pereira. „We go to the top“, lautete sein Versprechen beim Amtsantritt im Winter. Wenige Monate später ist er mit 1860 ganz unten gelandet. „Bei mir bleibt ein großer Schmerz“, sagte der ehemalige Meistercoach des FC Porto. Er behauptete: „Ich habe ein gutes Gewissen, ich habe alles gemacht.“

Den Neubeginn muss neues Personal bewerkstelligen. Ob 1860 auch in der 3. Liga Mieter in der riesigen Arena des ungeliebten FC Bayern bleibt, ist nur eine Frage. Das TV-Geld schrumpft auf eine Million Euro. Macht Ismaik frisches Geld locker? Die Zeit drängt. Die 3. Liga startet am 21. Juli. Dann heißen die 1860-Gegner FSV Zwickau oder SG Sonnenhof Großaspach.