Die Aalener Spieler Collin Quaner (li.) und Dennis Chessa am Boden: Keiner weiß, wie es beim Absteiger weitergeht Foto: dpa

Nach dem sportlich fest stehenden Abstieg aus der Zweiten Fußball-Bundesliga analysiert und bewertet der VfR Aalen die Lage. Die Kernfrage lautet: Kann der Verein finanziell überhaupt die dritte Liga stemmen?

Aalen - Oliver Barth suchte am Montag Zerstreuung. Er spielte mit seinem Töchterchen. Viel sagen wollte der Innenverteidiger des VfR Aalen nicht. Nur so viel war ihm zu entlocken: „Die Enttäuschung über den sportlichen Abstieg sitzt bei allen sehr, sehr tief.“ Zwar kämpft der VfR vor dem letzten Spiel an diesem Sonntag (15.30 Uhr) beim 1. FC Nürnberg noch darum, die wegen des Verstoßes gegen die Lizenzierungsauflagen am grünen Tisch verlorenen beiden Punkte wiederzubekommen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das Schiedsgericht der Deutschen Fußball-Liga (DFL) an diesem Donnerstag den Punkteabzug noch einmal zurücknehmen wird, geht gegen null. Das wissen auch die Spieler.

Entsprechend bedient sind sie. Oliver Barth, von 2001 bis 2005 für die Stuttgarter Kickers am Ball, ist einer von nur fünf Spielern, die auch einen gültigen Vertrag für die dritte Liga haben. Doch ob die Aalener überhaupt dort antreten werden, ist noch völlig offen. Auch ein Neustart in der Regional- oder Oberliga ist eine mögliche Variante. Denn die ohnehin prekäre finanzielle Lage verschärft sich durch den Abstieg.

Allein die stark reduzierten Fernsehgelder reißen ein Loch in die Kasse: Statt rund fünf Millionen Euro gibt’s künftig nur noch 800 000. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat dem Verein die Lizenz für die kommende Drittligasaison nur unter Auflagen erteilt, die eine finanzielle Absicherung von über fünf Millionen Euro enthält. „Diese Summe ist mir unerklärlich und einfach nicht gerechtfertigt“, ärgert sich VfR-Präsident Berndt-Ulrich Scholz. „Diesen Betrag haben wir als Ausgaben angegeben, somit wird uns unterstellt, dass wir null Einnahmen haben.“ Die Aalener Funktionäre vermuten, dass der DFB den früheren (viel höheren) Drittligaetat des VfR bei seiner Bewertung zugrunde legte, als Weltmeister Jürgen Kohler noch als Trainer und Sportdirektor fungierte, Kosta Runjaic (jetzt 1. FC Kaiserslautern) Co-Trainer war und das Unternehmen Imtech noch jede Menge Geld in den Verein pumpte.

Seit dem Ausscheiden von Imtech vor zwei Jahren bleibt das Schließen der Finanzlücken fast nur noch an Präsident Scholz hängen. Doch diesmal winkt der Schrott-Unternehmer ab. Er sei nicht mehr willig und in der Lage, eine Summe von über fünf Millionen Euro abzusichern.

Scholz nimmt die sechs Aufsichtsratsmitglieder des Clubs, die beiden weiteren Präsidiumsmitglieder, aber auch die Stadt und Rechtevermarkter Sportfive in die Pflicht. „Sich die Summe aufzuteilen wäre eine Möglichkeit“, lässt Scholz durchblicken. Am Montagmittag trafen sich die Gremiumsmitglieder, um die Lage zu analysieren und zu bewerten. Am Abend sagte Scholz: „Wir bemühen uns, die Auflagen zu erfüllen. Am Ende der Woche sehen wir klarer.“ Die Zeit drängt: Bis zum 28. Mai müssen die nachgebesserten Unterlagen beim DFB in Frankfurt sein.

Die Zahl der Fragezeichen ist groß. Ein großes steht hinter Trainer Stefan Ruthenbeck (42), dem trotz des sportlichen Abstiegs gute Arbeit attestiert wird. „Ich hätte mit dieser Elf in der Konstellation gerne noch ein Jahr weitergearbeitet“, sagte der Coach nach dem 2:4 gegen den Erzrivalen 1. FC Heidenheim. Der gebürtige Kölner deutete damit an, dass die Mannschaft auseinanderfallen wird. Er selbst hat einen auch für Liga drei bis 2017 gültigen Vertrag. Doch sein Name wird bereits bei Zweitligist 1. FC Kaiserslautern als Trainer und bei Bundesligist VfL Wolfsburg für die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums gehandelt.

Die Stadt Aalen hat unterdessen eine Sorge weniger: Durch den Abstieg muss das Stadion nicht weiter ausgebaut werden. Zwar versicherte Oberbürgermeister Thilo Rentschler, dass sich „darüber niemand freut“, doch es gibt auch andere Stimmen. Die Scholz-Arena fasst derzeit 14 500 Zuschauer (und damit nur 500 weniger als die geforderten 15 000), doch um wettbewerbsfähig zu sein, müssten Vip-Logen gebaut werden, die bisher nicht vorhanden sind.

Das ist Zukunftsmusik. Zunächst müssen Stadt und Verein eine ganz andere Frage schnell beantworten: Kann der VfR überhaupt die dritte Liga stemmen?