Streitbar bis zum Schluss: Bundestagspräsident Norbert Lammert scheidet aus dem Bundestag aus. Foto: dpa

Der Bundestagspräsident ermutigt die Parlamentarier zu mehr Debatte. Es werde Zeit, dass im Parlament wieder gestritten werde, meint Norbert Wallet.

Berlin - Norbert Lammert zuzuhören, ist immer lohnend. In seiner letzten Rede im Deutschen Bundestag hat der scheidende Bundestagspräsident den Abgeordneten noch einmal ins Gewissen geredet. Er hat das Ideal beschworen, welches das Parlament als Herzkammer der Demokratie begreift. Die Abgeordneten sind souverän und nicht weisungsgebunden. Im Grundgesetz ist nirgends vom Fraktionszwang die Rede. Die Abgeordneten sind Volksvertreter. Ihre Debatten spiegeln stellvertretend den Meinungsstreit der Gesellschaft und das Ringen um den richtigen Weg wider. Nicht zuletzt sind die Abgeordnete die Kontrolleure der Regierung – und nicht das Vollzugsorgan des Kabinetts.

Die großkoalitionäre Realität sah oft anders aus. Wenn die beiden großen politischen Strömungen ein Bündnis eingehen, dämpft das fast zwangsläufig die parlamentarische Kontroverse, lähmt die Freude an der Auseinandersetzung und nährt damit den Eindruck komatöser Zwangläufigkeit und Alternativlosigkeit. Der Bundestag sei „nicht so gut, wie er sein könnte“, sagte Lammert. Es wird Zeit, dass im Parlament wieder gestritten wird. In dieser stellvertretend für das gesamte Volk geführten Debatte liegt die Würde des Hohen Hauses. Streit schafft Engagement. Und Engagement ist das beste Mittel gegen populistische Verächtlichmacher des Parlaments.