Der Betreiber Carsten Richter und seine Belegschaft haben das Café Soho im Stuttgarter Westen geprägt. Foto: Ina Schäfer

Das Café Soho hatte 34 Jahre lang seinen festen Platz an der Schwabstraße, doch jetzt hieß es mit einer großen Feier Abschied nehmen. Die Geschichte eines gemütlichen Treffpunkts für Jedermann.

S-West - Eines hat sich Carsten Richter ganz fest vorgenommen: nicht zu weinen. „Meine Kinder haben gesagt, ich soll lieber zuhause bleiben, das sei alles zu traurig“, sagt er. Sein Vorhaben könnte tatsächlich schwierig werden. Denn an diesem Abend feiert Richter Abschied: Vom Stuttgarter Westen, vom Café Soho und von seinen Stammgästen. Nach mehr als dreißig Jahren muss er sein Lokal an der Schwabstraße 16a schließen. Grund ist ein Zwist mit dem Hauseigentümer über die Öffnungszeiten der Kneipe, der gut ein Jahr gedauert hat. Der Vermieter wollte, laut Richter, dass das Café Soho schon um 23 Uhr schließe. Unvorstellbar für den Gastronomen und ausgeschlossen für ein Lokal wie das seine. „Da würden uns die Hauptumsatzzeiten am Wochenende verloren gehen, das wäre unser finanzielles Aus gewesen“, sagt er. An Stelle des Café Soho soll nun eine Systemgastronomie in die Räume einziehen.

Die Bar wird beim letzten Abend zur Tanzfläche

Um sich von den vergangenen 34 Jahren zu verabschieden, sind am Samstagabend zahlreiche Wegbegleiter ins Café Soho gekommen. Drinnen sieht es an diesem Abend anders aus als sonst, der berühmte Delfin aus Blech hängt wie gewohnt an der Wand, die Bar aber ist umgebaut, Tische und Stühle abgebaut. Der Gastraum ist eine Tanzfläche, die von einer Lichtorgel in bunte Farben getaucht wird. Später wird nicht nur dort, sondern auch auf dem Tresen wild getanzt – die Taschentücher werden erst am nächsten Morgen ausgepackt.

Zum Start der Party ist es aber noch ruhig. Um 20 Uhr stehen die Gäste an der Straße vor dem großen Fenster des Soho, trinken, unterhalten und erinnern sich. Alle paar Meter begrüßt Richter einen anderen Gast, die meisten kennt er beim Namen. „Das war schon etwas Besonderes, hier im Soho. Ich möchte die Zeit nicht missen“, sagt er, als ihm schon wieder jemand in den Armen liegt.

Eine typische Stammkneipe mit seinen Ecken und Kanten

Der gelernte Bäcker hat das Lokal im Jahr 1995 übernommen. Davor hat er als Türsteher gearbeitet, die Arbeit hinterm Tresen habe ihm aber schon immer deutlich mehr Spaß gemacht. Damals war Stuttgart gastronomisch lange nicht so gut aufgestellt wie heute. Nach durchfeierter Nacht war das Soho die erste und beinahe einzige Anlaufstelle, wo es ein stärkendes Frühstück gab. Für viele hat sich das Lokal schnell zum Wohnzimmer entwickelt, eine typische Stammkneipe im Stuttgarter Westen. „Viele identifizieren sich mit dem Soho“, sagt Richter. Auch mit ihm, der beinahe Tag und Nacht hinterm Tresen stand. „Das Lokal war nie perfekt, es hatte immer seine Ecken und Kanten, aber das war o.k.“ – Ecken und Kanten habe er schließlich auch.

Als publik wurde, dass Richter aufgeben muss, sei der Aufschrei groß gewesen. „Manche haben mich angerufen und geweint, mir wurde Geld angeboten, sogar ein Käufer für das Haus hat sich gefunden“, sagt er. Am Ende sei er aber doch zu lange mit dem Rücken zur Wand gestanden. Jetzt sind Menschen angereist, die lange nicht mehr in Stuttgart wohnen, manche haben gar ihren Urlaub verschoben, um noch ein letztes Mal in ihrem alten Wohnzimmer mit alten Freunden zu feiern.

Jahrelang ein Treffpunkt für Jedermann

„Hier hat sich schon eine kleine Familie gebildet“, sagt ein Gast. Nett und familiär sei es immer gewesen, und: „Alles auf Carsten bezogen.“ Doch nicht nur auf ihn, sondern auch auf die restliche Belegschaft, wie etwa Tanja Hirschmeier, die 18 Jahre im Soho gearbeitet hat und auch an diesem letzten Abend hinter der Theke steht. „Ins Soho konnte man im schicken Anzug kommen oder im Schlafanzug – das war völlig egal“, erinnert sie sich. VfB-Profis wie Timo Hildebrand und die Banker von nebenan seien ebenso Stammgäste gewesen, wie derjenige, der die Räumlichkeiten der Bank täglich sauber macht.

Aller Trauer zum Trotz, versucht Richter das Beste aus der Situation zu machen. Er freut sich über freie Wochenenden, an denen er sich stärker um seine zwei kleinen Kinder kümmern kann, die auch an diesem Abschiedsabend kurz vorbei schauen dürfen. In den kommenden Monaten möchte er einem Freund helfen, ein Burger-Restaurant in Baden-Baden aufzubauen. „Als Angestellter“, stellt er klar und lacht. Erst einmal will er zur Ruhe kommen, nach einem turbulenten Jahr.

Ob das Café Soho irgendwann an anderer Stelle in Stuttgart wieder eröffnet? „Das“, sagt Carsten Richter, „kann ich mir schon vorstellen.“