Hat bald mehr Zeit für die Familie: Der Moderator Wieland Backes mit seiner Frau Bettina beim Landespresseball in Stuttgart im Jahr 2013 Foto: dpa

Wieland Backes, so hat es die „Zeit“ mal formuliert, ist „der ungekrönte König des Niveau-Talks“. Nun verlässt der 68-Jährige die große TV-Bühne und gibt die Moderation des „Nachtcafes“ ab. Sein Abschied ist ein Einschnitt – für den SWR, aber auch für die TV-Branche.

Wieland Backes, so hat es die „Zeit“ mal formuliert, ist „der ungekrönte König des Niveau-Talks“. Nun verlässt der 68-Jährige die große TV-Bühne und gibt die Moderation des „Nachtcafes“ ab. Sein Abschied ist ein Einschnitt – für den SWR, aber auch für die TV-Branche.

Stuttgart - Es war im Januar dieses Jahres. Der Winter fiel aus, aber beim Südwestrundfunk verfiel mancher für einen Moment in Schockstarre. Wieland Backes kündigte seinen Rückzug vom „Nachtcafé“ für das Jahresende an. „Ich habe Sehnsucht nach ein bisschen mehr persönlicher Freiheit, Zeit für Familie und Freunde“, schrieb der 68-Jährige damals in einer persönlichen Erklärung an seine Freitagabend-Fan-Gemeinde.

27 Jahre hatte Backes die Anhänger der gepflegten Konversation kurz vor zehn stets mit einem freundlichen Lächeln, diesem Augenzwinkern in der sonoren Stimme und den Worten „Guten Abend zum Nachtcafé“ begrüßt. Was folgte, war eine Gesprächsrunde, die so gar nichts mit manch anderen Talkshows im deutschen Fernsehen zu tun hatte. Keine Brüll-Show, keine Bloßstellungen der Gäste, keine Boulevard-getränkten Enthüllungsversuche.

Backes praktizierte in seinem „Nachtcafe“ einen anderen Stil: Nicht der Promi-Faktor der Gesprächspartner war wichtig, sondern das Thema stand im Vordergrund. Die Gäste sollten aus ihrem Leben erzählen. Und vor allem: Sie durften ausreden. Ein Wert, der bei den Plasbergs und Lanz‘ dieser Fernsehwelt an Wert verloren hat.

Nun aber hat Backes, den manche als kultig, andere als bieder empfinden, genug vom Rampenlicht. „Es war mir immer wichtig, selbst über den Zeitpunkt meines Abschieds zu entscheiden. Ich wollte nicht, dass die Leute eines Tages fragen, wie lange der das eigentlich noch macht.“ Am 12. Dezember wird der SWR nicht nur ein Porträt über den populären Moderator senden, an diesem Tag wird es auch letztmals das „Nachtcafe“ mit dem Grandseigneur geben. Gäste der Sendung werden unter anderen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Entertainer Harald Schmidt sein. Titel der letzten Ausgabe: „Happy End“.

Genau so umschreibt Backes auch seine Gefühlslage in diesen Tagen. Die Sendung sei „stets ein Geschenk“ für ihn gewesen, der wöchentliche Sendetermin „aber eine selbst gewählte Form der Versklavung“, sprich permanenter Stress. Nun sei „die Zeit reif für ein neues Kapitel“ in seinem Leben. Keine Spur von Abschiedsschmerz? Vielleicht setzt der an diesem Mittwoch ein. Dann interviewt ein anderer Show-Gigant des deutschen Fernsehens, nämlich Frank Elstner, den scheidenden „Nachtcafe“-Moderator Backes in der Stuttgarter Liederhalle. Es wird eine Begegnung zweier TV-Dinos. Der offizielle Titel: „Elstner trifft Backes – ein Abend über das Nachtcafe, große Namen und ein kleines Zitatebuch“.

Was auf den ersten Blick wie eine Buchvorstellung von Backes neuem Werk wirkt, ist bei genauerer Betrachtung weit mehr. Da unterhalten sich zwei Urgesteine der Fernsehgeschichte. Hier der gebürtige Österreicher Backes, der einst Chemie und Geografie studierte, 1973 seine TV-Karriere beim damaligen Süddeutschen Rundfunk begann, fünf Jahre die „Abendschau“ leitete, ehe er die Abteilung „Journalistische Unterhaltung“ gründete und 1987 erstmals das „Nachtcafe“ moderierte. Dort Elstner, ebenfalls gebürtiger Österreicher, gelernter Radiomacher und Erfinder zahlreicher Fernsehsendungen wie „Wetten, dass . .?“. Es mag Zufall sein, dass auch Elstner Anfang dieses Jahres seinen Abschied beim SWR eingereicht hatte, als er für 2015 das Ende seiner populären Samstag-Abend-Talkshow „Menschen der Woche“ ankündigte. Gut möglich, dass der Pförtner im Literaturhaus diesmal erst im Morgengrauen in den Feierabend gehen kann. Backes und Elstner werden sich viel zu erzählen haben.

Alles deutet freilich darauf hin, dass Backes an diesem Abend im Mittelpunkt stehen wird. „Das ‚Nachtcafe‘ hatte immer ein Alleinstellungsmerkmal. Wir waren nicht austauschbar“, sagt er im Rückblick auf rund 5000 Gäste und letztendlich 705 Sendungen. An seine Premiere erinnert er sich noch gut. „Es war ein Samstagabend um 23.45 Uhr. Niemand hat einen Pfifferling auf uns gesetzt.“ Doch Backes‘ Glück war es, dass vor dem ersten „Nachtcafe“ eine Karnevalsübertragung lief und die auch noch länger dauerte als geplant. „Viele Zuschauer sind dann gleich drangeblieben. Ab diesem Zeitpunkt wurde das ‚Nachtcafé‘ nie mehr infrage gestellt.“ Es sei stets das Ziel gewesen, den Zuschauern „etwas für das eigene Leben mitzugeben“. Soll heißen: Eine TV-Sendung, die schon mal Therapie sein konnte – ob bei Beziehungsproblemen oder Alkoholsorgen, ob bei Nachbarstreitigkeiten oder der Rolle der Frau, ob bei Themen wie „Das Geschäft mit den Alten“ oder „Urlaub – wie erholt man sich am besten?“.

Aber wie wird das sein, nach all den Jahren künftig ganz ohne Kameras, ohne Maskenbildnerin, ohne Scheinwerfer? Da ist Backes nicht bange. „Ich fahre nicht von 150 auf null runter.“ Seine Sendung „Ich trage einen großen Namen“ wird er noch weiterhin moderieren. Ansonsten möchte er sich mehr denn je seinen ehrenamtlichen Aufgaben widmen. Zum Beispiel im Stuttgarter Literaturhaus, zum Beispiel bei der Ausbildung von Nachwuchsmoderatoren. Und er will mehr Zeit haben für die Familie, sich verstärkt der zehnjährigen Tochter widmen, seiner Frau, die Anwältin ist, mehr als bisher den Rücken freihalten. „Ich werde jetzt nicht daheim sein und den Rentner spielen.“

Vielleicht wird er ja auch öfter als bisher den Fernseher einschalten und die Arbeit der Talk-Kollegen in den anderen Sendern noch genauer als bisher beobachten. Manches sei da aus dem Ruder gelaufen, sagt Backes. Längst gebe es „ein Gerangel um Themen und Gäste“, beschreibt er den Konkurrenzkampf unter den Sendern. Dass es die nachmittäglichen Talkrunden kaum noch gibt, findet Backes dabei nicht unbedingt bedauerlich. Da sei auf Kosten der Einschaltquote vielfach „hemmungslos“ übertrieben worden, da seien Inhalte oftmals „erfunden“ worden. „Die Massierung der Talk-Shows hat der gesamten Branche geschadet. Das Publikum hat sich irgendwann daran sattgesehen“, resümiert Backes die unschöne Entwicklung der vergangenen Jahre.

Dennoch gibt der erfahrene Programmmacher dem Format eine Zukunft. „Das Genre an sich wird nicht verschwinden. Eine gut gemachte Talk-Show ist nichts anderes als die Verlagerung eines kleinen Gesprächszirkels, der sonst in der Küche oder auf der Couch stattfindet.“ Dass es dabei wie im ganz normalen Leben mal gute, mal schlechte Tage gibt, hat Backes trotz aller Quotenerfolge von bis zu 600 000 Zuschauern pro Sendung selbst erfahren müssen. Nicht nur, dass es wie im Fall der ehemaligen Irak-Geisel Susanne Osthoff schon mal passierte, dass ein Gast plötzlich aufsteht und die Sendung verlässt.

Auch Backes selbst war nicht frei von Fehlern. Als er im Jahr 1989 eine Sendung dem Thema Adel widmete, begrüßte er die Herzogin von Sevilla mit den Worten, sie stamme ja aus einem „altehrwürdigen Gestüt“. Eigentlich wollte er „altehrwürdiges Geschlecht“ sagen. Backes war der Versprecher peinlich, heute kann er darüber lachen. „Es war eine turbulente und hoch amüsante Sendung.“ Aber was wird aus dem „Nachtcafe“, wenn er geht? Da verstummt der sonst gern plaudernde Gentleman. „Es wird weitergehen, und zwar gut“, glaubt er. So oder so: Der Nachfolger tritt ein schweres Erbe an.