Beppe Grillo, Ex-Komiker und Gründer der Partei Movimento Cinque Stelle predigt Transparenz. Den Abgeordneten seiner Partei gehen die Maßnahmen nun aber etwas zu weit. Foto: ANSA

Die Führung der Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo soll ihre Abgeordneten ausspionieren lassen – Abweichler sind in der Partei unerwünscht.

Rom - Andrea Colletti kann die ganze Aufregung nicht verstehen. „Wer etwas zu verstecken hat, der beklagt sich jetzt natürlich, aber diese Kontrolle existiert doch nur zum Wohl der Partei!“ Es sei von Spionage die Rede, „von Big Brother“, so der Pressesprecher des Movimento 5 Stelle, kurz M5S, der politischen Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo. Er fügt hinzu: „Das ist doch reinere Blödsinn!“

Das sehen viele Abgeordnete und Senatoren der M5S allerdings anders. „Seit Anfang unserer parlamentarischen Arbeit werden sämtliche unserer Sitzungen mit Videokameras aufgenommen, wie es heißt, um unsere Tätigkeit zu dokumentieren“, berichtet Walter Rizzetto, Abgeordneter der Grillo-Partei, die sich als Bewegung des „dritten Weges zwischen rechts und links“ versteht. „Doch dann hatte ich immer öfter den Verdacht, dass da irgend etwas nicht stimm“, so Rizzetto. Und diesen Verdacht haben immer mehr der so genannten „Grillini“.

Inzwischen wird unter den Politikern der M5S offen über Mail- und Computer-Spionage innerhalb der Partei gesprochen. Meist nur hinter vorgehaltener Hand. Immer wieder fällt dabei ein Name. Der des Unternehmens Casaleggio Associati.

Die Idee einer totalitären Demokratie

Gründer und Chef dieses Unternehmens, das sich auf Informatik spezialisiert hat, ist der 61jährige Gianroberto Casaleggio. Er war es, der zusammen mit Beppe Grillo im Oktober 2009 die politische Bewegung der Fünf Sterne aus der Taufe hob. Eine Bewegung, so Grillo und Casaleggio damals, „die die Idee von Politik revolutionieren wird“. Demokratie, so ihr Traum, sollte „mit Hilfe der Informatik radikal und umfassend werden“. Was genau sich die beiden Parteigründer darunter vorstellen, verdeutlicht ein etwa siebenminütiges Video, das selbst so mancher Wähler des M5S nicht kennt, das aber ein erschreckendes Bild von den politischen Träumen Grillos und Casaleggios zeigt. In dem Film ist die Rede von einem langen Weltkrieg mit Atombomben, der die Menschheit radikal reduzieren wird. Nach diesem Krieg errichten die Überlebenden mit Hilfe eines Super-Computers eine totalitäre Demokratie, die ohne Wahlen, ohne Parteien, ohne Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Interessenvertretungen auskommen wird. Jeder Bürger ist gleichberechtigt und für alle anderen absolut transparent.

Angesprochen auf diesen totalitären Traum weichen Grillo und Casaleggio gerne aus. Doch im Parlament und im Senat scheinen die beiden ihre Vorstellung von totaler Kontrolle durchsetzen zu wollen. „Beim permanenten Mitschneiden aller unserer Sitzungen und Beratungen“, so Walter Rizzotto, „geht es doch nur darum, parteiinterne Dissidenten aufzuspüren, Leute, die es sich erlauben, Grillo und Casaleggio in Frage zu stellen“.

Andersdenkende haben im Movimento Cinque Stelle keinen Platz

M5S geht so radikal gegen Andersdenkende vor wie keine andere im italienischen Parlament vertretene Partei. Wer die Parteigründer und die von ihnen vorgegebene Linie auch nur in Frage stellt, wird umgehend als „auffällig“ gebrandmarkt und, wenn er oder sie auf den Überzeugungen besteht, aus der Partei ausgeschlossen. „Als wir es uns erlaubt hatten, uns für den Sozialdemokraten Pietro Grasso als Senatspräsidenten auszusprechen, gab es nicht nur Kritik an uns, sondern eine Form der Inquisition“, sagt Alessandra Bencini, die vor kurzem aus der M5S ausgeschlossen wurde.

Dissidenten wie Bencini berichten auch von abgehörten Handies von M5S-Abgeordneten, von Datenklau auf Computern und Computer-Überwachungsprogrammen. Ein Verhalten, das, so die ehemalige Abgeordnete, „eher zum US-amerikanischen Geheimdienst als zu einer demokratischen Partei passt“. M5S-Kritiker sprechen von „Kontoll-Paranoia“ seitens Grillo und Casaleggio. Befeuert wird diese von Software-Kontrollprogrammen auf den Geräten der Abgeordneten, die von dem Unternehmen Casaleggio Associati entwickelt wurden. Dieses wählt auch vertrauenswürdige Abgeordnete und Senatoren aus, die das Funktionieren dieser Software überprüfen und Kritik am von Grillo und Casaleggio vorgegebenen Parteikurs gleich an die Unternehmenszentrale weiterleiten. Dann, so Alessandra Bencini, „wird die entsprechende Person gezielt überwacht“. Das sei, so Bencini, ein Verhalten, „das zu einer Partei, die angetreten war, das korrupte Politsystem Italiens von Grund auf zu revolutionieren, gar nicht passt“.