Abschiebungen sind das letzte Mittel, um Menschen ohne Bleiberecht außer Landes zu bringen. Foto: dpa

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl will die Abschiebepraxis verschärfen und wird dafür vom grünen Koalitionspartner, SPD und Linken heftig kritisiert. Gleichwohl haben die Bundesländer nach wie vor praktische Schwierigkeiten, eine Abschiebung durchzusetzen.

Berlin - Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl will die Abschiebepraxis verschärfen und wird dafür vom grünen Koalitionspartner, SPD und Linken heftig kritisiert. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley machte „populistische Parolen“ bei Strobl aus. Dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, nicht in Deutschland bleiben können, sei eine „Selbstverständlichkeit“. Gleichwohl haben die Bundesländer nach wie vor praktische Schwierigkeiten, eine Abschiebung durchzusetzen. Manche wollen schlicht nicht.

Wie ist die Entwicklung?

Aus Deutschland sind bis Ende Oktober bereits mehr Menschen abgeschoben worden (21789) als im gesamten Vorjahr (20888). Die meisten Menschen (4220) wurden bis Ende Oktober aus Nordrhein-Westfalen außer Landes gebracht. Baden-Württemberg folgt auf dem zweiten Platz (3099). Auf Platz drei rangiert Bayern (2892). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor wenigen Tagen gesagt, dass bis Ende des Jahres 100000 Menschen ohne Bleiberecht Deutschland verlassen sollen. Merkel hofft, dass allein mithilfe von Förderangeboten bis zum Jahresende 60000 Flüchtlinge freiwillig dem Land den Rücken kehren, bisher sind dies 50000. „Ausreisepflichtig“ waren 206200 Personen, von denen 153700 zumindest eine vorübergehende Duldung besaßen. 52480 galten demnach als „unmittelbar ausreisepflichtig“. Befürworter einer härteren Gangart sagen, mehr als 500000 Menschen würden sich unrechtmäßig in Deutschland aufhalten. Das stimmt allerdings so nicht. Zwar lebten Ende Juni 549209 Menschen in Deutschland, deren Asylantrag zum Teil bereits vor vielen Jahren abgelehnt wurde. Die Mehrheit dieser Menschen hat inzwischen aber eine Aufenthaltserlaubnis, hält sich hier also rechtmäßig auf. Eine härtere Abschiebepraxis liefe in diesen Fällen ins Leere.

Woran scheitern Abschiebungen?

Ist bei einem abgelehnten Asylbewerber eine Abschiebung nicht möglich, kann eine befristete Duldung erteilt werden. Das ist zum Beispiel bei einer Erkrankung der Fall. Auch eine unsichere Lage im Herkunftsland kann Grund für eine Duldung sein, ebenso Unklarheiten über das Herkunftsland oder die Weigerung der Herkunftsländer, Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Das ist häufig dann der Fall, wenn entsprechende Dokumente oder Ausweise fehlen. Schlepper fordern deshalb Flüchtlinge nach Aussage der Sicherheitsbehörden häufig auf, ihre Pässe vorsichtshalber zu vernichten, weil dies eine Abschiebung erschwert. Kompliziert werden Abschiebungen mitunter auch durch Vorgaben aus den Herkunftsländern. So darf bisher nach Marokko nicht in Charter- sondern nur in Linienflugzeugen der staatlichen marokkanischen Fluggesellschaft abgeschoben werden. Nicht selten sind aber auch die kommunalen Behörden hierzulande schlichtweg überfordert, etwa dann, wenn im Herkunftsland Ersatzdokumente angefordert werden müssen. CDU-Innenexperte Armin Schuster fordert deshalb eine Art nationales Abschiebezentrum. „Ich plädiere für ein nationales Rückführungszentrum, in dem Experten der Länder, der Bundespolizei, des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes gemeinsam komplizierte Fälle bearbeiten“, sagte der Lörracher Bundestagsabgeordnete unserer Zeitung: „Mit dem gemeinsamen Terrorabwehrzentrum haben wir bereits eine vergleichbare Schnittstelle geschaffen, die sich sehr bewährt hat.“ Weil Abschiebungen so schwer durchzusetzen seien, will Schuster außerdem auf dem CDU-Parteitag einen neuen Vorstoß zur Schaffung von Transitzonen an den Grenzen unternehmen. In diesen soll verhindert werden, dass Menschen, die erkennbar keine Bleibeperspektive haben, gar nicht erst ins Land kommen. Die SPD hat solche Zentren allerdings stets strikt abgelehnt und als „Internierungslager“ bezeichnet.

Wie hat die große Koalition reagiert?

Seit 2015 hat die große Koalition zwei Asylpakete verabschiedet, die auch Verschärfungen bei Abschiebungen beinhalten. So darf der konkrete Abschiebetermin nicht mehr vorher mitgeteilt werden, um ein Abtauchen zu verhindern. Eine Wiedereinreisesperre wurde bei Abschiebungen ebenso vereinbart wie ein „Ausreisegewahrsam“, das ebenfalls ein Untertauchen verhindern soll. Um das Vortäuschen einer Krankheit zu erschweren, wurden die Anforderungen an medizinische Bescheinigungen konkretisiert.

Wie reagieren die Länder?

Die Bereitschaft abzuschieben, ist unterschiedlich ausgeprägt. In Thüringen wird in der rot-rot-grünen Regierung bereits wieder über einen Erlass diskutiert, der Abschiebungen im Winter untersagt. Rot-Rot-Grün in Berlin hat im Koalitionsvertrag beschlossen, alle Mittel zu nutzen, um Abschiebungen zu verhindern. Stattdessen setzt Berlin auf Freiwilligkeit. Auch Schleswig-Holstein war bei Abschiebungen bisher sehr zurückhalten. Kritiker befürchten wegen der unterschiedlichen Handhabe eine Art Flüchtlingstourismus in Deutschland.