Kleine Läden, wie das Markt Eck in der Senefelderstraße im Stuttgarter Westen, sind in vielen Stadtteilen Mangelware. Foto: Peter Petsch

Schon jetzt wohnt fast jeder fünfte Stuttgarter zu weit von einem Lebensmittelmarkt entfernt, um ihn bequem zu Fuß zu erreichen. Tendenz steigend. Die Stadt sucht daher nach Konzepten gegen dieses Problem.

Schon jetzt wohnt fast jeder fünfte Stuttgarter zu weit von einem Lebensmittelmarkt entfernt, um ihn bequem zu Fuß zu erreichen. Tendenz steigend. Die Stadt sucht daher nach Konzepten gegen dieses Problem.

Stuttgart - Die Perspektiven machen Sorge: Viele Stuttgarter können bald nur noch in großen Märkten auf der grünen Wiese ihre Lebensmittel einkaufen. Schon jetzt leben in der Stadt etwa 130.000 Menschen, die aus Sicht des Stadtplanungsamtes nicht mehr nahversorgt sind. Das heißt im Verwaltungsjargon: Diese Bürger wohnen mindestens 500 Meter weit entfernt zum nächsten Lebensmittelgeschäft. Und die Tendenz geht dahin, dass sich diese Radien auf der Stadtkarte eher vergrößern. Denn in manchen Bezirken lohnt sich für die großen Lebensmittelhändler das Geschäft längst nicht mehr. Zu gering ist der Umsatz, zu groß sind die Kosten. Experten rechnen so: Im Schnitt kann ein Markt nur dann gewinnbringend arbeiten, wenn er einen jährlichen Mindestumsatz zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Euro macht. Das ist beispielsweise in Gaisburg oder auf dem Burgholzhof nicht mehr möglich.

Eine andere Prognose verschärft die Lage zusätzlich. Die Gesellschaft wird immer älter. Statistiker rechnen damit, dass im Jahr 2035 etwa 140.000 Stuttgarter älter als 65 Jahre sein werden. Das wären 25 Prozent mehr als heute. Gerade Ältere sind auf eine Lebensmittelversorgung um die Ecke angewiesen. „Für sie, aber auch die Mutter mit dem Kinderwagen ist nur zu Fuß eine Grundversorgung möglich“, sagt Werner Schüle vom Seniorenrat.

In Teilen der Stadt, zum Beispiel in Hofen, können schon jetzt nur noch Bonus-Märkte die Nahversorgung sichern. Doch seit sich die staatliche Arbeitsmarktförderung als Grundlage der Finanzierung extrem verschlechtert hat, mussten bereits Bonus-Märkte schließen. „An manchen Standorten sind die weiter laufenden Mietkosten eines geschlossenen Marktes niedriger, als ihn unrentabel weiterzuführen“, sagt Manfred Kaul, der Chef der Gemeinnützigen Gesellschaft für Schulung und berufliche_Reintegration (SBR) und damit auch der SBR-Tochter Bonus. Für die nähere Zukunft bedeutet das: Der Markt in Steinhaldenfeld wird im April schließen. Die Öffnung des Bonus-Marktes Rohrer Höhe ist längstens bis März 2015 gesichert, „weil eine Stiftung eingesprungen ist“ (Kaul). Und in Sonnenberg springt derzeit ein Bürgerverein ein.

Kuhn liegt Thema am Herzen

In der Verwaltung hatte man die Entwicklung lange mit Besorgnis begleitet, aber keine Handlungskonzepte entwickelt. Das hat sich geändert. Nicht nur, weil Oberbürgermeister Fritz Kuhn das Thema am Herzen liegt. Auch, weil die Wirtschaftsförderung den Stein ins Rollen brachte. In einem Schriftstück des Stadtplanungsamtes heißt es jetzt: „Ein fußläufig erreichbarer Lebensmittel-Einzelhandel ist Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Insbesondere für nicht mobile Bevölkerungsgruppen, darunter oft ältere Menschen, besteht die Notwendigkeit, eine fußläufige Versorgung zu gewährleisten.“ Weiter heißt es: „Ein fußläufig erreichbarer Lebensmittelbetrieb hat zudem eine identitätsstiftende, soziale und kommunikationsfördernde Funktion für das jeweilige Quartier. Er übt eine Magnetwirkung auf andere ergänzende Nahversorger (Bäcker, Metzger, Bank, Friseur) und gegebenenfalls weitere Zentrumsfunktionen aus.“ Wenn man so will, könnte das sogar die Renaissance von Tante-Emma-Läden in manchen Quartieren bedeuten.

Ausgeschlossen ist nichts. Externe Experten sollen das Stadtplanungsamt nun bis zum Herbst unterstützen. Gemeinsam will man ein Handlungskonzept für die Brennpunkte in der Stadt erarbeiten. 25.000 Euro hat der Gemeinderat dafür im Doppelhaushalt 2014/15 25.000 Euro bewilligt. Bis zum 26. Februar können sich Planungsbüros bewerben. Wie gesagt: Denkverbote gibt es keine. Möglich seien Fördermöglichkeiten, Ausfallbürgschaften, Einrichtungszuschüsse, Betriebskosten- und Mietzuschüsse für bisherige Händler oder neue Märkte. Überprüft werden soll aber auch, ob manche Bezirke über mobile Fahrzeuge versorgt werden können oder ob der jeweilige Wochenmarkt sein Angebot erweitern könnte. Selbst die kommunale Unterstützung der Bonus-Märkte, zuletzt tabuisiert, steht auf dem Prüfstand.

„Wir suchen die passende Lösung für den jeweiligen Bezirk“, sagt Frank Gwildis vom Stadtplanungsamt.