Travis Kalanick hat sich gerne als „böser Bube“ der Branche inszeniert. Foto: AFP

Hinter dem Abgang von Uber-Chef Travis Kalanick stehen tiefer reichende Probleme der Start-up- und Innovationskultur im digitalen Zeitalter, schreibt Andreas Geldner.

Stuttgart - Für die Rolle des bösen Buben hat sich Travis Kalanick schon lange geeignet. Mit nassforscher Aggressivität, oft unter Umgehung lokalen Gesetze, hat die von ihm gegründete und gnadenlos nach vorne gepeitschte Firma Uber versucht, ihre Fahrtendienst-App weltweit in immer mehr Märkte zu drücken. Durchaus mit Erfolg, auch wenn Profite bei diesem Spiel mit hohem Risiko immer noch Fehlanzeige sind.

Uber ist ein Extrembeispiel – aber nicht untypisch

Bei der Macho-Kultur ist Uber ein Extrembeispiel. Doch der Abgang von Kalanick ist ein Menetekel für die oft arroganten Weltveränderer der Digitalbranche. Von Jeff Bezos von Amazon bis hin zu Mark Zuckerberg von Facebook haben sie ihre Welteroberungsphantasien immer wieder mit Ignoranz gegenüber den sozialen Aspekten ihres Geschäfts kombiniert. Das reicht vom Stress in den Warenlagern bis hin zu den so genannten „Fake News“. Die an der amerikanischen Westküste geborene Start-up-Kultur hatte immer etwas Machohaftes: Nicht nur bei den Programmieren gibt es einen massiven Männerüberschuss, Frauen und Minderheiten sind quer durch die Branche unterrepräsentiert.

Aggressiver Expansionskult

Der oft bewunderte, dynamische Gründer-, Expansions- und Start-up-Kult hat hinter der Fassade auch ein hässliches Gesicht. Arbeitsdruck, uferlose Arbeitszeiten, ein den menschlichen Lebensrhythmus manchmal überfordernder Tempowahn waren zu oft gepaart mit einer fehlenden Sensibilität für die als „Disruption“ beschönigte Zerstörungskraft des eigenen Geschäftsmodells. Uber hat zu Recht die verkrusteten Strukturen attackiert, die weltweit das Taxigewerbe kennzeichnen. Doch im eigenen Missionswahn schoss man über das Ziel hinaus. Die Diskriminierung und schlechte Behandlung von weiblichen Mitarbeitern, die Travis Kalanick jetzt den Kopf als Unternehmenschef gekostet hat, ist nur ein Mosaikstein in dieser nur scheinbar modernen Version des Kapitalismus. Auch beim Umgang mit den Fahrern wurde Uber in jüngster Zeit in den USA vor Gericht zu Zugeständnissen gezwungen. Von Deutschland über Frankreich bis hin zum liberalen Austin in Texas hat man verbrannte Erde hinterlassen. Folgerichtig sind diese Märkte dem Unternehmen nun teilweise verschlossen.

Noch fehlen die Gewinne

Uber ist nicht nur wegen der fehlenden Gewinne bisher kein Beispiel für ein nachhaltiges Erfolgsmodell. Die Frage, wer den Wettbewerb um die Mobilitätsdienstleistungen der Zukunft gewinnen wird, bleibt spannend. Eine Uber-App lässt sich kopieren. Aber wenn es auch wegen der Firmenkultur auf einmal nicht mehr genügend willige Fahrer gibt, die ihr eigenes Fahrzeug für dieses beschönigend „Ökonomie des Teilens“ („Sharing Economy“) genannte Modell zur Verfügung stellen, dann könnten am Ende die Autokonzerne als Sieger hervorgehen. Fahrzeuge bauen und Fahrzeugflotten selber verwalten können sie besser – und sie haben dafür auch das nötige Kapital.

Kein Zukunftsmodell

Ubers Aggressivität scheint ein Auslaufmodell zu sein. Der Zimmervermittler Airbnb, der anfangs so nassforsch wie der Fahrtenanbieter aus San Francisco agierte, versucht inzwischen die Konfrontation mit Regulierern zu vermeiden. Marc Benioff, der Chef des Big-Data-Konzerns Salesforce, hat soziales Engagement zum Markenzeichen gemacht. Es hat Symbolcharakter, wenn auch Unternehmer vom Schlage eines Jeff Bezos und Mark Zuckerberg nach jahrelangem Zögern in jüngster Zeit die Philanthropie entdeckt haben und mehr von ihrem Vermögen der Gesellschaft zu Gute kommen lassen wollen. Natürlich ist das auch Marketing und Show. Aber es ist eine bessere Aufführung, als das Schmierendrama das Travis Kalanick zu lange geliefert hat. Sein Abgang ist für die zumindest zaghafte Entdeckung von gesellschaftlicher Verantwortung ein weithin sichtbares Symbol.