Trotz Protest und Eilantrag: Der Abriss des Nordflügels geht weiter. Foto: dpa

Abbrucharbeiten am Hauptbahnhof gehen weiter. Das OLG weist Dübbers Eilantrag zurück.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn kann den Nordflügel des Hauptbahnhofs bis auf weiteres jederzeit wegen Stuttgart21 abreißen. Einen Eilantrag des Architekten Peter Dübbers zum Stopp der Abbrucharbeiten hat das Oberlandesgericht Stuttgart am Mittwoch zurückgewiesen.

Die schlechte Nachricht erreicht Peter Dübbers am späten Mittwochnachmittag. "Die Entscheidung des Gerichts ist bedauerlich", sagt Dübbers. Dass das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) seinen Antrag auf Unterlassung von Abbrucharbeiten am Nordflügel des Hauptbahnhofs am Mittwoch zurückgewiesen hat, erfährt der 71-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung aus einer Pressemitteilung des Gerichts.

Peter Dübbers ist ein Enkel des 1954 verstorbenen Architekten Paul Bonatz, nach dessen Plänen der Hauptbahnhof in Stuttgart 1914 bis 1928 errichtet worden ist. Der Enkel, der selbst Architekt ist, nimmt seit dem Tod des Großvaters dessen Urheberrechte wahr. Mit einer Unterlassungsklage gegen die Deutsche Bahn will er verhindern, dass der Konzern für das Projekt Stuttgart21 die beiden Seitenflügel des Bonatz-Hauptbahnhofs und die Treppe in der großen Schalterhalle abbrechen lässt.

Am 20.Mai 2010 hat das Landgericht Stuttgart Dübbers Klage in erster Instanz verhandelt. Dabei betonte der Architekt erneut, dass der Bonatz-Bau durch den Abriss der Seitenflügel "verstümmelt" und die herausragende Stellung als Baukunst verlieren würde. Dübbers forderte die Bahn auf, eine andere bauliche Lösung für den Hauptbahnhof zu finden. Dies sei der Bahn "zumutbar", sagte sein Anwalt Rainer Jacobs. Auch mit Seitenflügeln ließe sich ein Durchgangsbahnhof realisieren; das belegten drei Entwürfe aus dem Stuttgart-21-Architektenwettbewerb von 1997, die damals von der Stadt angekauft wurden.

Die Bahn argumentierte vor Gericht, dass der Abriss keine Verstümmelung sei. Für Stuttgart21 sei ein Erhalt der Flügel allerdings "eine Katastrophe", sagte Bahn-Anwalt Winfried Bullinger. Müsste seine Mandantin neu planen, würde dies Millionen Euro und Jahre Verzögerung kosten.

Auf einstweilige Verfügung bislang verzichtet

Am 20.Mai 2010 gab das Landgericht der Bahn recht und wies die Klage Dübbers ab. Dagegen legte der Bonatz-Enkel Berufung ein. Darüber soll am 6.Oktober 2010 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) entschieden werden.

Auf die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung gegen die Bahn hat Dübbers lange Zeit verzichtet. Das Risiko, bei einem negativen Ausgang in der Hauptsache mit immensen Schadenersatzforderungen der Bahn konfrontiert zu werden, erschien ihm zu groß. Im regulären Verfahren hätte nur ein rechtskräftiges Urteil im Urheberrechtsstreit tatsächlich einen Baustopp erzwingen können. Bis ein solches Urteil vorliegt, dürften aber noch Jahre vergehen.

Als die Bahn am 30.Juli den Bauzaun am Nordflügel aufstellen ließ und damit ihren ursprünglichen Zeitplan beschleunigte, sah sich Dübbers zum Handeln gezwungen: Am 5.August 2010 beantragte er eine einstweilige Verfügung - allerdings nur bis zum Berufungsverfahren am 6.Oktober 2010. "Bis dahin entsteht der Bahn kein finanzieller Schaden", betont Dübbers am Mittwoch.

Das OLG hat die einstweilige Verfügung jedoch versagt. Zur Begründung wird in der Presseerklärung angeführt, dass der Bonatz-Enkel "zu lange" gewartet und seinen Antrag "verzögert" gestellt habe, weshalb die Dringlichkeit einer Eilentscheidung nicht mehr gegeben sei. Auch die Vorverlegung des Abrisstermins durch die Bahn um vier bis acht Wochen führten für den Kläger "nicht zu einer neuen Situation".

Wann der Abriss beginnt, hält die Bahn geheim. "Die Bahn will durch den Abriss so schnell wie möglich und vor dem OLG-Termin irreversible Tatsachen schaffen", kritisiert Dübbers: "Diese Taktik ist einfach unmöglich." In dieses Bild passt für Dübbers, dass er den Schriftsatz des Bahn-Anwalts zur einstweiligen Verfügung erst am Mittwoch erhalten hat - also am selben Tag, an dem das OLG die Sache entschieden hat.