Das schwedische Popquartett Abba im Jahr 1974 Foto: dpa

Aus heiterem Himmel hat die schwedische Popband Abba 1982 eine „Pause“ angekündigt. Ebenso überraschend kündigt sie nun ein neues Projekt an.

Stockholm - Als erstes müsste man zunächst eigentlich die Handbremse ziehen und mitteilen, was die Band Abba alles nicht versprochen hat. Agnetha, Anni-Frid, Benny und Björn haben zum Beispiel nicht ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich als Band wiedervereinigt haben. Und sie haben auch nicht mitgeteilt, dass die Band Abba ein neues Album aufnehmen, auch nur ein einziges Konzert geben oder gar zu einer Welttournee aufbrechen wird.

Aber nur eine Spaßbremse würde in diesem Fall zur Handbremse greifen. Viel zu elektrisierend ist die am Donnerstag wie aus dem nichts aufgeploppte Nachricht, dass das gemischte Schwedendoppel ein neues gemeinsames Projekt plane. Weswegen prompt die Superlative purzeln mussten. Von der „Wiedervereinigung des Jahrtausends“ war im Netz umgehend die Rede (kaum dass dieses Jahrtausend sechzehn Jahre alt ist), und wenn man allein die Kommentare der über sechs Millionen Menschen lesen wollte, die zur Abba-Facebook-Seite „gefällt mir“ sagen, wäre vermutlich immerhin schon das Jahrzehnt herum.

Die Fakten sind vage

Flugs also zum Sachverhalt. Das legendäre schwedische Quartett, das sich 1972 gründete und im Jahr 1982 „eine Pause“ angekündigt hat, gibt 34 Jahre später bekannt, dass es 2017 nähere Informationen über „ein neues Unterhaltungserlebnis“ preisgeben werde. Dafür wollen sich Agnetha Fältskog, Anni-Frid Lyngstad, Björn Ulvaeus und Benny Anderson mit dem britischen Musikproduzenten Simon Fuller zusammentun, der heutzutage Manager von Victoria und David Beckham ist, früher Manager von Lewis Hamilton war und noch früher mit markigen Sprüchen wie „Ich mache Stars, das ist mein Geschäft“, als Erfinder des Formats „Deutschland sucht den Superstar“ sowie als Manager der Spice Girls in Erscheinung getreten ist. Die neuesten Errungenschaften aus der digitalen Technik und der virtuellen Realität sollen genutzt werden, Ziel sei ein Erlebnis mit den schwedischen Superstars, bei dem eine neue Generation von Fans die Band „in einem bisher unvorstellbarem Maß sehen, hören und fühlen“ könne.

Ebenso blumig wie diese Verheißungen geraten die Statements der Künstler selbst zu dieser Ankündigung. „Wir fühlen uns inspiriert von den unbegrenzten Möglichkeiten, welche die Zukunft bereithält, und freuen uns, Teil einer dramatischen Neuschöpfung zu sein, einer Zeitmaschine, die die Essenz dessen festhält, was wir waren und sind“, ließ Benny Andersson verlauten. „Unsere Fans rund um die Welt bitten uns ständig, uns wieder zu vereinen, daher hoffe ich, dass diese neue Abba-Kreation sie so sehr erregt wie mich“, souffliert Frida Lyngstad.

Soweit die Fakten. Denen jetzt noch hinzugefügt werden müsste, dass Simon Fuller „in den vergangenen Jahren einiges in Virtual-Reality-Technologien investiert hat, um hyperrealistische digitale Wesen für die Unterhaltungsbranche zu erschaffen“; so jedenfalls wird er in der Bekanntgabe zitiert. Woraufhin man eine ganz dunkle Ahnung bekommen könnte, wie das ganz neue Unterhaltungserlebnis aussehen könnte, dessen Details dann im kommenden Jahr bekannt gegeben werden sollen. Aber schon das wäre viel zu miesepetrig gedacht – angesichts des Umstands, dass Millionen von Menschen allein die Möglichkeit einer Wiedervereinigung bereits bejubeln.

Welterfolge ohne Ende

Superstars muss sich Simon Fuller nämlich nicht mehr backen, er hat sie schon. Alle Superlative rund um Abba aufzuzählen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Bis heute 380 Millionen verkaufte Tonträger (wobei es sich um eine grobe Schätzung handelt), Hits ohne Ende und ein gänzlich unverblasster Ruhm, der auch bald 35 Jahre nach Ankündigung der „kurzen Pause“ tagtäglich nachhörbar ist in allen Radiostationen dieser Welt, allabendlich auf diversen Musicalbühnen rund um den Globus, bei unzähligen Auftritten von Tributebands, in Partykellern wie auf Tanzflächen. Unzählige Welterfolge, angefangen bei ihrem internationalen Durchbruch beim Eurovisions-Grand-Prix 1974 mit „Waterloo“ über unzählige Riesennummern wie „The Winner takes it all“, „Mamma mia“ oder „Dancing Queen“, geschrieben wie am Fließband, sind die Grundlage für den immensen Erfolgs der vermutlich weltbekanntesten Band. Sorgsam und brillant komponiert wurden sie von den beiden Herren des Quartetts, scheint’s ohne Unterlass und stets mühelos aus dem Ärmel geschüttelt. Sie allein strahlen eine Kraft aus, die alles überdauert hat. Hinzu kommt schließlich noch das strahlende Image dieser vier stets heiter und sorglos musizierenden Schweden, deren gesamte Karriere von vernachlässigbaren Petitessen abgesehen völlig skandalfrei verlief.

Man darf gespannt sein

Steinreich sind sie dabei natürlich auch geworden. So wohlhabend sogar, dass sie im Jahr 2000 das Angebot eines britisch-amerikanischen Konsortiums ablehnten, sich für hundert Konzerte wiederzuvereinen. Kein Scherz: Eine Milliarde Dollar wurde ihnen dafür geboten, und da musste selbst Benny Andersson einräumen, dass dies eine Menge Geld sei. Dennoch lehnten sie ab, mit der bemerkenswerten Begründung, dass gerade der Verzicht auf ein Comeback das Geheimnis ihres überdauernden Erfolgs sei.

Womöglich haben sie damit sogar recht. Umgekehrt: eine Wiedervereinigung nach der „kleinen Pause“, wie wäre das schön. Eine prima Tournee dazu. Bunte Spandex-Glitzeranzüge, prächtig illuminierte Showtreppen und was man sich sonst noch alles herrlich vor dem geistigen Auge ausmalen könnte. „Chiquitita“ und „Fernando“ bei einem herrlichen Greatest-Hits-Abend, der angesichts ihres Riesenrepertoires an Riesenerfolgen wahrlich zu einem Greatest-Hits-Abend würde. In Stockholm, Las Vegas oder gar – um mit ihrem Hit „I have a Dream“ weiterzuträumen – im Stuttgarter Fußballstadion. Wenigstens für ein einziges Konzert, wenngleich man sich gar nicht ausmalen möchte, welche Arena für Abba groß genug wäre. Ganz leibhaftig oder notfalls auch in „Virtual-Reality-Technologie“, was man sich auch darunter vorstellen mag.

Die Spannung steigt also, trotz der vagen Ankündigung. Und wie auch immer die Sache ausgeht: Der nächste Rekord dürfte der Band, die am 11. Dezember 1982 ihr letztes Konzert gab, aber noch immer alljährlich drei Millionen CDs verkauft, auf jeden Fall gewiss sein.