Auf der B 10 zwischen Stuttgart und Esslingen gibt es schon den Flüsterasphalt. Foto: Jan Reich

Im Frühjahr machte die A 8 bei Rutesheim (Kreis Böblingen) Schlagzeilen, weil die Oberfläche nicht einmal fünf Jahre nach der Eröffnung des 103 Millionen Euro teuren Teilstücks Heimsheim–Leonberg bereits mächtig bröckelte. Der Grund dafür war der Flüsterasphalt.

Stuttgart - Im Frühjahr machte die A 8 bei Rutesheim (Kreis Böblingen) Schlagzeilen, weil die Oberfläche nicht einmal fünf Jahre nach der Eröffnung des 103 Millionen Euro teuren Teilstücks Heimsheim–Leonberg bereits mächtig bröckelte. Der Grund dafür war der Flüsterasphalt, der mit seinen vergleichsweise großen Hohlräumen zwar viel Lärm schluckt, aber auch früher einknickt, wenn – wie bei Rutesheim – vor allem viele Lastwagen drüberrollen. Dort machen durchschnittlich 12.000 Lkw täglich mehr Druck, als Opa aushält – so kürzen Straßenbauexperten den Fachbegriff offenporiger Asphalt ab. Eigentlich soll er rund zehn Jahre halten und nicht weniger als die Hälfte wie bei Rutesheim. Wegen der Fahrbahnschäden reduzierte das Regierungspräsidium Stuttgart das Tempolimit auf der Gefällstrecke auf 100 Kilometer pro Stunde.

Im April kündigte die Behörde unserer Zeitung an, dass die Sanierung wegen des teuren Materials mindestens bis 2014 auf sich warten lassen würde. Ende November haben die Planer die Arbeiten kurzfristig vorgezogen und die etwa 800 Meter lange Strecke auf der rechten Spur über drei Tage grundlegend reparieren lassen. Nun gilt wieder Tempo 120.

„Die Arbeiten liefen plangemäß“, sagt Clemens Homoth-Kuhs, Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart. Er verweist aber darauf, dass auch die anderen Abschnitte mit Flüsterasphalt nicht ewig halten. „Der Flüsterasphalt dort ist insgesamt in einem schlechten Zustand“, sagt Homoth-Kuhs. Allerdings gibt es in den anderen Abschnitten keine Schlaglöcher, und damit gelten sie als verkehrssicher.

Für den Steuerzahler fällt die Schadensbehebung weniger günstig aus als gedacht. Im Frühjahr hatte der Behördensprecher noch in Aussicht gestellt, dass die Baufirma den größeren Teil bezahlen müsse, weil sie den Flüsterasphalt nicht zu 100 Prozent so aufgebracht hatte, wie sie es hätte tun sollen. Jetzt heißt es, die Firma habe rund ein Drittel der etwa 100.000 Euro zu bezahlen. Der Auftrag ist noch nicht abgerechnet.

Begrenzte Haltbarkeit

Noch schlechter ist, dass die Experten in den nächsten ein bis drei Jahren mit weiterem Sanierungsbedarf in diesem Abschnitt rechnen. Von den 10,4 Kilometern von Heimsheim bis Leonberg sind immerhin knapp die Hälfte in Flüsterasphalt gehalten. „Da wird es wohl keine Fälle der Gewährleistung mehr geben“, sagt Clemens Homoth-Kuhs mit Blick auf die Fünf-Jahres-Frist. Die Autobahn war im September 2008 in Betrieb genommen worden.

Straßenbauer halten das Asphaltgemisch, das Juristen aus Gründen des Lärmschutzes einfordern, wegen seiner begrenzten Haltbarkeit eigentlich für technisch unzulänglich. Deshalb hat das Land zusammen mit Bayern eine Initiative beim Bund gestartet, um eine schnellere Zulassung einer neuartigen Mischung zu erreichen.

„Dieser Asphalt reduziert den Lärm dauerhaft und länger als der Flüsterasphalt, der nur am Anfang gut ist“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) den Stuttgarter Nachrichten. Allerdings mindert sie den Lärm nicht so stark wie der Flüsterasphalt. Die neue Splitt-Mastix-Mischung wurde 2005 erstmals auf der A 93 in Bayern zwischen den Anschlussstellen Schwandorf-Süd und Schwandorf-Mitte getestet. In der Region Stuttgart liegt sie seit 2008 auf der B 10/B 27 zwischen Stuttgart-Stammheim und Friedrichswahl sowie seit 2011 auf der B 10 zwischen Stuttgart und Uhingen (Kreis Göppingen). Richard Schild vom Bundesverkehrsministerium sagt unserer Zeitung, dass die Tests abgesehen von der A 93 noch längst nicht aussagekräftig sind. „Es sind auch in den nächsten Jahren weiterhin kontinuierliche Messungen erforderlich“, so Schild, „bevor der lärmoptimierte Splitt-Mastix-Asphalt auch als aktive Lärmschutzmaßnahme im Rahmen der Lärmvorsorge eingesetzt werden kann.“

Konfrontiert mit dieser Aussicht, zeigt sich der Sprecher von Landesverkehrsminister Hermann keineswegs enttäuscht. „Wir haben Verständnis dafür, dass bei neuem Material Langzeittests nötig sind“, sagt Edgar Neumann. Das bedeutet allerdings, dass das Land noch jahrelang den Flüsterasphalt verwenden muss.

Einen Rechtsanspruch auf weniger Lärm kann der haltbarere Asphalt wegen der mangelnden Zulassung also noch nicht erfüllen. Das Land hat ihn mittlerweile jedoch für Fälle erlaubt, in denen sozusagen auf freiwilliger Basis etwas für den Lärmschutz getan werden soll. „Das gilt aber nur für Landesstraßen“, sagt Edgar Neumann vom Landesverkehrsministerium. Bei Bundesfernstraßen müsse die Zustimmung in Berlin eingeholt werden.

Der Kreis Böblingen hat die neue Mischung diesen Herbst auf der Straße zwischen Nufringen und Herrenberg-Kuppingen auftragen lassen. „Dieser Flüsterasphalt ist neu und konnte ohne Mehrkosten eingebaut werden“, sagte Landrat Roland Bernhard. Mehrere Dezibel weniger Lärm seien dadurch möglich. Wo aber ein Planfeststellungsbeschluss Flüsterasphalt vorschreibt, muss weiterhin der anfällige Opa hin.