Blick auf die Stiftskirche und das Rathaus im zerstörten Stuttgart nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Foto: dpa

Wie haben Baden-Württemberger das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt? Wir veröffentlichen an dieser Stelle in Auszügen Erinnerungen unserer Leserinnen und Leser. Erich Schlageter aus Neckartenzlingen erinnert sich an die ersten Tage mit den Franzosen in Freiburg.

Stuttgart - „Ich war als Soldat in der sechsten Armee, der Stalingrad Armee. Im Jahr 1942 wurde ich in Russland schwer verwundet und verlor den linken Arm. Als Trost für die schwere Verwundung blieb mir das Schicksal meiner Kameraden in Stalingrad erspart. Ich landete wieder in Freiburg, als der zweite Weltkrieg sich seinem Ende zuneigte und die Front näher kam.

Im März 1945 haben die Franzosen sich Freiburg genähert. Zuvor gab es immer wieder Fliegeralarm, weshalb wir in den Keller mussten. Das war nicht so einfach, denn der Keller war auf der Rückseite des Hauses und es musste zunächst ein schwerer Eisendeckel aufgeschwenkt werden. Licht gab es da unten keines, also mussten Kerzen, Streichhölzer, Notverpflegung, Kleidung und wichtige Papiere mitgenommen werden. Meine Frau und ich hatten zu diesem Zeitpunkt auch noch unser Kleinkind, Tochter Helga, für die auch einiges notwendig war. Ich raste zwei-, dreimal um das Haus, bis ich alles zusammen hatte. Als Einhänder hatte ich dabei so meine Probleme, und der Fliegeralarm wiederholte sich mehrmals die Woche.

Im April kamen dann die Franzosen in Freiburg an. Das hat bei der Bevölkerung einen Schock ausgelöst, zumal sie drei Tage lang plündern durften und auf junge Frauen losgingen. Die französischen Soldaten kamen am Tag der Besetzung auch in unsere Wohnung. Sie waren zu unserer Überraschung sehr anständig, ja sogar freundlich, haben Lebensmittel mitgebracht und wollten am Tisch essen.

Meine Frau sollte Essen zubereiten: sie wollten Pommes Frites, das kannten wir ja noch gar nicht. Ich habe ihnen das erklärt, woraufhin sie gezeigt hatten, wie sie zu machen sind. Das waren dann unsere ersten Pommes Frites.

Langsam stellte sich wieder das normale Leben ein. Wenn man das so bezeichnen kann, nach den turbulenten Tagen. Denn es herrschte nach wie vor Lebensmittelknappheit. Für meine Frau war es unter diesen Umständen äußerst schwierig, etwas Essbares auf den Tisch zu bringen. Und ich habe nur so gestaunt, wie sie das fertig brachte. Ich konnte sie als junge Frau mit gerade mal 24 Jahren nur bewundern.

Einmal gab es beim Mich holen per Fahrrad am Kaiserstuhl auf dem Nachhausweg einen gefährlichen Zwischenfall.

Für mich mit einem Arm war es sowieso beschwerlich, denn mit dem Sack voller Habseligkeiten auf einer Lenkerseite erhielt das Fahrrad ein Ungleichgewicht. An diesem Tag kam ein fremdländischer Typ aus dem Wald gesprungen und hat mich am weiterfahren gehindert, so dass ich absteigen musste. Ich sollte ihm geben was ich hatte, als ich mich geweigert habe, wurde er gewalttätig. Plötzlich kamen zwei weitere dazu, windige Bursch, und griffen mich an. Ich schwang zur Abwehr das Fahrrad um mich, worauf sie zurückwichen.

In diesem Moment kam ein elsässischer Offizier der französischen Besatzungsarmee auf dem Motorrad angefahren, hielt an. Ich erklärte ihm kurz die Situation und die Männer sind schnell verschwunden. Er fuhr langsam weiter und sagte, ich soll ihm folgen. Das war sehr anständig von ihm und hilfreich für mich. Der Franzose ist mit mir bis zur Haustüre gefahren, so dass ich trotz Sperrstunde ungehindert zu Hause ankam.“

Aufgezeichnet von Jessica Schmucker