Die aktuelle deutsche Ausgabe des „Rolling Stone“ Foto: Rolling Stone

Am 9. November 1967 wurde die bedeutendste Musikzeitschrift der Welt gegründet: der „Rolling Stone“. Die Partystimmung dürfte bei dem US-Magazin, das in zwanzig Ländern Lizenzausgaben hat, am fünfzigsten Geburtstag getrübt sein: Der Gründer Jann Wenner sucht einen Käufer.

Stuttgart - Die Frage, ob der amerikanische „Rolling Stone“ oder der britische „New Musical Express“ die wichtigste Musikzeitschrift der Welt ist, spaltet die Lager ebenso wie die Frage, ob nun die Stones oder die Beatles die größte Band der Welt sind. Doch selbst wenn es viele Menschen gibt, die den „NME“, der im Mutterland der Popmusik allwöchentlich (!) in einer Auflage von rund fünfzigtausend Exemplaren erscheint, wegen seiner sensorischen Trendspürnasen und seinem unbändigen Streben nach Erneuerung in der Popmusik schätzen: Auf dem Papier ist die Sache klar. Von der amerikanischen Ausgabe des „Rolling Stone“ werden vierzehntägig anderthalb Millionen Exemplare verkauft, dazu erscheint der „Rolling Stone“ international in knapp zwanzig Ländern, unter anderem auch in Deutschland.

Die deutsche Ausgabe des „Rolling Stone“ erscheint monatlich und hat eine Auflage von knapp mehr als fünfzigtausend Exemplaren, genauso viel wie der größte Konkurrent, der „Musikexpress“, der im Gegensatz zum eher auf klassischen Rock fokussierten „Rolling Stone“ den Fokus eher auf Alternativemusik legt. Alle anderen großen deutschen Musikkaufzeitschriften bedienen etwa spezielle Genreinteressen – etwa der „Metal Hammer“ – oder sind in ihrer einstigen Größe und Bedeutung längst geschrumpft, beispielsweise die längst nur noch zweimonatlich erscheinende „Spex“.

Benannt nach einem berühmten Bob-Dylan-Song

„Rolling Stone“ und der „Musikexpress“, der sich in seiner aktuellen Titelgeschichte der Punkrockbewegung widmet, erscheinen in Deutschland übrigens beide im Axel-Springer-Verlag, dessen publizistische Tätigkeiten einst ja auch der Grund für linksorientierte Popmusik oder Bewegungen wie den deutschen Punk waren . . . , aber das nur am Rande.

Der amerikanische Ur-„Rolling Stone“ jedenfalls wurde 1967 in San Francisco von dem Jazzkritiker Ralph J. Gleason und Jann S. Wenner gegründet, einem Berkeley-Studenten, der sein Studium schmiss, um die Welt zu verbessern und der Popmusik endlich ein adäquates publizistisches Organ zu geben. Benannt wurde das Blatt nach dem berühmten Bob-Dylan-Song „Like a Rolling Stone“, die erste Ausgabe erschien am 9. November 1967.

Illustre Autoren konnten sie schon bald für sich gewinnen, Lester Bangs, Joe Klein, Tom Woolfe und Hunter S. Thompson mit seinem „Gonzo“-Stil bereicherten das Blatt, optisch wurde es von Fotografen wie Annie Leibovitz oder Herb Ritts geprägt. Inhaltlich wurde spätestens mit dem Umzug nach New York auch eine explizit politische Linie gefahren, die allerdings dem Zeitgeist geschuldet peu à peu immer weiter in Richtung Entertainment geöffnet wurde – worunter der Ruf als Leitstern der Popkultur zunehmend litt.

Der Gründer Jann Wenner sucht nach einem Käufer

Die massivste Delle erlitt der Ruf des „Rolling Stone“ allerdings 2014, als der Rolling Stone über eine vermeintliche Massenvergewaltigung auf dem Campus der University of Virginia berichtete, die nie stattfand. Die fälligen Entschädigungszahlen verschlangen Millionen, Anzeigen- und Auflagenschwund taten im Laufe der Jahre ihr übriges, sodass Wenner im vergangenen Jahr bereits 49 Prozent der Anteile an eine Firma aus Singapur verkaufen musste und derzeit auch für den Rest des „Rolling Stone“ einen Käufer sucht.

Dennoch und trotz alledem bleibt das Blatt die bedeutendste Musikzeitschrift der Welt. Und dass in einer Welt der Castingshows und Vermarktungsmaschinerien die kritische Reflexion über Popmusik von Argentinien über Australien und Russland bis nach Frankreich – in all diesen Ländern erscheinen Lizenzausgaben des „Rolling Stone“ – noch immer ein Millionenpublikum findet, stimmt auch fünfzig Jahre nach der Gründung doch sehr tröstlich.