Modell einer Turbine aus Metall - einfach ausgedruckt. Foto: Fraunhofer

Eine neue Gattung von Anlagen mischt die Karten im Maschinenbau derzeit neu. Auf ihnen werden komplexe Teile aus Metall einfach ausgedruckt.

Hannover/Stuttgart - Klassische Werkzeugmaschinen wie Fräsen, Pressen oder Drehmaschinen sind die Grundlage jeder industriellen Wirtschaft. Eine neue Gattung von Anlagen mischt die Karten in dem Geschäft derzeit neu. Auf ihnen werden komplexe Teile aus Metall einfach ausgedruckt.

Manchmal kommen Innovationen ziemlich unscheinbar daher. Die neue M-Flex des Augsburger Maschinenbauers Exone ist ungefähr so groß wie eine Papiermülltonne. Das Gehäuse ist weiß-grün lackiert und mit einem großzügigen Plexiglas-Fenster versehen. Auf den ersten Blick ist das Gerät von einem modernen Großkopierer kaum zu unterscheiden. „Die eigentliche Innovation steckt innen“, sagt David Stevenson, Manager bei Exone. „Wir drucken hier gerade Metall aus.“

Was vor wenigen Jahren noch vollkommen abwegig erschien, hält heute in klassischen Industriezweigen wie dem Maschinenbau immer weiter Einzug. Neue Fertigungsverfahren erlauben es seit einiger Zeit, Bauteile aus harten Materialien wie Keramik, Edelstahl, Kupfer, Bronze oder Titan nicht mehr nur zu gießen, biegen oder zu fräsen, sondern einfach auszudrucken – wobei drucken eigentlich der falsche Begriff ist. „Schicht um Schicht aufbauen“ wäre korrekter, sagt Stevenson.

Bei der M-Flex etwa schiebt eine Art Rechen Metallpulver auf eine flache Arbeitsplatte. In einem zweiten Schritt schießt eine Düse ein Bindemittel auf bestimmte Stellen des Pulvers, das dort sofort aushärtet. Danach schiebt der Rechen eine neue Schicht Pulver darüber, die wieder mit Kleber beschossen und ausgehärtet wird. Lage um Lage entsteht so ein Relief eines Bauteils aus Metall. Am Ende des Prozesses wird das nicht festgeklebte Metallpulver abgesaugt und das entstandene Bauteil in einem Brennofen ausgehärtet. Nur zwei bis drei Firmen weltweit beherrschen das Verfahren. In den USA, wo die Exone-Apparate hergestellt werden, habe man schon sechs Maschinen verkauft, sagt Stevenson. In Deutschland sei man in Gesprächen.

Sogenannte 3-D-Drucker, zu denen die Exone-Anlage zählt, machen seit kurzem im Maschinenbau Furore. Die ersten Anlagen glichen im Grunde automatisierten Heißklebepistolen, die Kunststoff schichtweise in eine bestimmte dreidimensionale Form spritzten. Die Grundlage waren CAD-Dateien aus dem Computer. Die Geräte waren eher für nicht professionelle Anwendungen gedacht. Heraus kamen meist wenig mehr als grobe Kunststoffmodelle ohne anspruchsvolle Materialeigenschaften. Nach und nach änderten sich aber die Verfahren, und auch die Bandbreite der druckbaren Materialien wurde größer. Seit wenigen Jahren lassen sich  nun  auch Keramiken, organische Stoffe oder Metalle per Ausdruck in Form bringen.

Metalldruck für filigrane Arbeit optimal

Für Industrieanwendungen ist vor allem der Metalldruck interessant. Denn es gibt Formen, die so filigran sind, dass sie nicht gegossen oder gefräst werden können. In manchen Nischen ist der Metalldruck heute schon das beste Verfahren“, sagt Rainer Gebhardt, der beim Maschinenbauerverband VDMA in Frankfurt für das Thema zuständig ist. Die Palette der Anwendungen reiche inzwischen vom Prototypenbau bis zur Kleinserienfertigung. Für Medizintechnik oder Luftfahrt sei die Schwelle zur Serienfertigung erreicht“, heißt es von anderen Experten.

Während Firmen wie Exone oder Voxeljet aus dem bayrischen Friedberg auf Bindemittel setzen, um die Druckformen zu stabilisieren, arbeiten andere Firmen mit Lasern. Hier wird das Metallpulver von heißen Lichtquellen aufgeschmolzen. Wiederum entsteht das Bauteil so Schicht um Schicht. Hersteller wie SLM aus Lübeck beziehungsweise Conceptlaser und Eos aus Bayern haben in den vergangenen Jahren immer leistungsfähigere Automaten auf den Markt gebracht und machen mittlerweile Millionenumsätze mit den Geräten. Innerhalb des Werkzeugmaschinenbaus seien das „keine Exoten mehr“, sagt Gebhardt.

Das macht sich auch an Marktzahlen bemerkbar. Beratungsfirmen wie Roland Berger oder Wohlers taxierten das weltweite Geschäft mit 3-D-Druckern und den dazugehörigen Dienstleistungen auf 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2012. Im Vergleich zum über zwei Billionen Euro schweren Weltmaschinenmarkt ist das zwar noch ziemlich wenig. Roland Berger geht aber davon aus, dass sich die Umsätze im 3-D-Druck in den nächsten zehn Jahren mehr als vervierfachen werden – ein weitaus schnelleres Wachstum als in der übrigen Branche.

Besonders für den Werkzeugmaschinenbau ist die Entwicklung eine Herausforderung. Baden-Württemberg ist besonders betroffen, gilt das Land doch als Zentrum der Branche in Deutschland mit Zehntausenden Arbeitsplätzen. Durch die smarten Metall-Drucker könnten High-Tech-Fräsen, Pressen oder Stanzen bald nicht mehr nötig sein, lautet die oft geäußerte Vermutung.

VDMA-Experte Gebhardt glaubt nicht an die These. „Ich sehe die Technologie als Ergänzung“, sagt er. Der Strauß der Maschinen werde einfach bunter. Tatsächlich öffnen sich auch Schwergewichte des Werkzeugmaschinenbaus dem Thema. Konzerne wie Gildemeister oder DMG Mori-Seiki haben Zwitter-Anlagen im Programm, die sowohl fräsen als auch in 3-D drucken. Der Ditzinger Platzhirsch Trumpf experimentierte bereits vor Jahren mit der Technologie, legte sie aber damals ad actas.

„Die deutschen Firmen seien im Rennen“, sagt Gebhardt. Die Problematik sieht er eher darin, die riesigen Vorteile, die die Technologie bietet, auch bei kleineren Firmen bekannt zu machen. In den Mittelstand sei die „Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten nicht so ganz durchgesickert“, sagt er. Um diese Scharte auszuwetzen, wird der VDMA Ende Mai eine Arbeitsgemeinschaft zum 3-D-Druck gründen, in die neben den Anlagenherstellern auch Dienstleister und Forscher ihre Expertise einspeisen sollen. „Klar ist, dass wir hier am Ball bleiben müssen“, sagt Gebhardt.