Eric Gauthier (Mitte) mit seinen Christmas-Tänzern bei der 14. Nacht der Lieder im Theaterhaus. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Treue Gäste meinten, es sei die bisher beste „Nacht der Lieder“ gewesen. Die 14. Benefizshow für die Aktion Weihnachten hat im Theaterhaus mit über 50 Künstlern vorgeführt, dass sich das Wort Vielfalt noch steigern lässt. Ein turbulenter und beglückender Abend.

Stuttgart – Treue Gäste meinten, es sei die bisher beste „Nacht der Lieder“ gewesen. Die 14. Benefizshow für die Aktion Weihnachten hat im Theaterhaus mit über 50 Künstlern vorgeführt, dass sich das Wort Vielfalt noch steigern lässt. Ein turbulenter und beglückender Abend.

Wer die Bedeutung von Weihnachten sucht, konnte sie an zwei Abenden im Theaterhaus finden. Das Fest macht Sinn, wenn die ganze Familie zusammenkommt, die das Jahr über getrennte Wege geht. Weihnachten ist von großem Nutzen, wenn sich die Familie nicht nur gegenseitig beschenkt, sondern auch notleidende Menschen bedenkt. So gesehen geht von der 14. Nacht der Lieder – obgleich da viel Unsinn auf die Bühne kam – eine wahrhaft weihnachtliche Botschaft aus. Die Genres der Künstler können noch so unterschiedlich sein – sie finden in einer Revue der Überraschungen zueinander, um die Menschen zu beglücken und in einem großen gemeinsamen Hochgefühl zusammenzuführen.

Bei dem von unserem Kolumnisten Joe Bauer konzipierten Programm ziehen sich die Gegensätze nicht nur an, sondern das begeisterte Publikum auch hoch. Selten hat man so viele beglückte Menschen aller Altersgruppen gesehen. Obendrein wird jeder zum Teil einer kollektiven Nachbarschaftshilfe: Der Erlös der beiden Abende mit dem wie gewohnt charmanten, aber reifer gewordenen ConférencierEric Gauthier geht an die Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten, die Lokalchef Jörg Hamann zu Beginn einer turbulenten Show vorstellte. Einen Satz hörte man nach dreieinhalb Stunden oft, wie eigentlich jedes Jahr: „Das war die beste Nacht der Lieder bisher!“

Die Mixed-Show gibt wie eine Wundertüte Verblüffendes und Unerwartetes frei. Spektakulär: Ennio Marchetto aus der Maskenstadt Venedig. Der 54-Jährige führt ein Doppelleben. Wenn er als Jesus erscheint, ist er nach einem Fingerschnippen Conchita Wurst. Seine Papp-Kostüme wechseln so blitzschnell, dass Angela Merkel, wenn sie nur einen Satz nicht zu Ende bringt, in den Körper der „Atemlos“ singende Helene Fischer hineinstolpert. Ungestüm hüpft Marchetto, vielleicht der Star des Abends, im Bilderrausch hin und her zwischen Travestie, Charts und Herzschmerz. Es reicht, wenn ein Papparm ausgeklappt wird – schon ist der Mensch ein anderer, aber auch wieder nicht. In jedem stecken verschiedene Charaktere. Man muss nur den Mut haben, sie rauszulassen. Der Italiener ist der beste Beweis dafür, dass eine alte Kunstform wie das Varieté Neues hervorbringen kann.

So gesehen empfiehlt es sich, hurtig wie Marchetto loszuspringen, um sich Karten für die 15. Nacht der Lieder am 8. und 9. Dezember 2015 zu sichern (der Vorverkauf unter www.theaterhaus.de hat begonnen!).

Gauthier wird erneut moderieren. Auch wenn er an drei Witzen festhält, die wie ein Refrain jedes Jahr erklingen, ist er vom Lausbuben weit auf dem Weg zu Frank Sinatra vorangekommen. Als Entertainer mit angerauter Swingstimme wird er immer besser, grandios begleitet von der Big Night Showband. Seine aus Kanada angereiste Mutter im Publikum kann stolz sein. Für die Fußball-Choreografie „Freistoß“ hat er Verstärkung für die Gauthier-Dance-Truppe bekommen. Tobias Trautner und Max Wohlfahrt von den Stuttgarter Kickers machen als Tanz-Debütanten eine gute blaue Figur.

Es hat sich ausgezahlt, dass Joe Bauer seit Jahren mit seinem „Flaneursalon“, einer Lieder- und Geschichtenshow, durch die Stadt tourt und sich dabei seine Künstler für die Benefizshow rauszieht. Zu jungen Talenten wie Dorian Kraft an der verblüffenden Tuba und dem großartigen Klassik-Trio Alexander Sonderegger, Elene Meipariani und Lia Vielhaber gesellen sich ewig fetzige Haudegen wie Roland Baisch und seine Country-Männer. Melancholie trifft Musik fürs Lagerfeuer. Für die sanften Seiten ist das Jazz-Trio von Anne Czichowsky zuständig. Die Indie-Folk-Virtuosin Ginger Redcliff spielt mit facettenreicher Stimme, mal mit der Einsamkeit eines Pianos, mal mit unsichtbarem Digital-Orchester, Musik zum Verlieben.

Zum Erfolg einer Show zählen feste Größen. Womit wir bei den A-cappella-Stars Die Füenf sind. Diesmal begeistern sie etwa mit dem Patrick-Lindner-Spottlied, bei dem der Saal mitsingt: „Bring mir die Sonne zurück – die Sonne ist für alle da.“ Die zweite feste Größe, der Vorleser Joe Bauer, zeigt, wie melancholisch man auch ohne Gesang sein kann. Seine Geschichte über den Bahnhofsbarmann Jonny geht unter die Haut.

Ein Mann, ein Stuhl – und los geht das Gestammel. Rolf Miller, Meister der Halbsätze, lümmelt sich breitbeinig einen ab. Um mit seinen Worten zu sprechen: Das Publikum ist panikartig entspannt. Am zweiten Abend hat Patricia Moresco den Comedy-Part mit südländischem Temperament übernommen.

Danke für diesen tollen Abend! Jetzt wollen wir Eric Gauthier zu Weihnachten neue Witze schenken (bitte mailen an: u.bogen@stn.zgs.de), weil er und seine 50 Mitstreiter uns so reichlich beschenkt haben.