Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten: „Für die tägliche Arbeit im Kindergarten ist das völlig irrelevant“, betont Jens Theobaldt, der Leiter des Amts für Familie, Schulen und Vereine. Foto: dpa

Seit September gehen nur noch Sprösslinge aus Familien mit einem Migrationshintergrund in den Kindergarten auf der Burg im Filderstädter Stadtteil Bernhausen.

Filderstadt - Mit einem Protestbrief brachte ein empörter Vater vor Jahren in Ludwigsburg einen Stein ins Rollen. Der aus der Türkei eingewanderte Mann machte sich ernsthaft Gedanken um die Entwicklungschancen seines Sohns in der neuen Heimat. Der Sprössling hatte zwar einen Kindergartenplatz erhalten – fand sich aber in einer Gruppe wieder, in der babylonisches Sprachgewirr herrschte. „Wie soll mein Sohn hier denn Deutsch lernen?“, fragte sich der besorgte Vater.

Die Beschwerde, dass über 90 Prozent der Kinder in dem Hort aus Ausländerfamilien kommen, wirbelte Staub auf – und rückte die Sorgen eines als sozialer Brennpunkt geltenden Stadtteils in den Blickpunkt. Noch bevor das Schlagwort von der Integration die große politische Bühne erreichte, dachte das Ludwigsburger Rathaus über eine bessere Mischung der Kindergartengruppen nach.

Alle Kinder im Hort haben einen Migrationshintergrund

Filderstadt könnte jetzt eine ähnliche Entwicklung blühen. Denn im Ortskern von Bernhausen wird im Kindergarten auf der Burg eine Quote erreicht, die das Beispiel aus der Barockstadt noch in den Schatten stellt. Die 47 Kinder, die in den zwei Gruppen wochentags von 7.30 bis 14.30 Uhr betreut werden, stammen inzwischen alle aus Familien mit einem Migrationshintergrund.

Im Sozialausschuss des Gemeinderats löste der Verweis auf die 100-Prozent-Quote im Hort auf der Burg erschrockene Reaktionen aus. „Da schrillen bei mir alle Alarmglocken. Die Verwaltung muss da dringend gegensteuern, das geht ja gar nicht“, forderte Grünen-Fraktionschefin Catherine Kalarrytou ein Konzept für eine bessere Durchmischung ein. Rosemarie Gaedeke von den Freien Wählern sah eine „besonders schwierige Aufgabe für die Erzieherinnen im Kindergarten auf der Burg“, während Willy Stoll für die CDU über eine veränderte Gestaltung des Einzugsgebiets für den Hort nachdachte.

Jedes zweite Vorschul-Kind hat fremdsprachige Eltern

Plötzlich vom Himmel gefallen ist die Entwicklung in Filderstadt-Bernhausen allerdings keineswegs. Seit Jahren bewegt sich der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten auf der Burg zwischen 80 und 90 Prozent, auch im unweit entfernten Hort in der Fröbelstraße haben vier von fünf Kindern keine deutschsprachigen Eltern. „Die Situation ist uns nicht verborgen geblieben, aber sie ist nun mal so, wie sie ist“, sagt Sozialbürgermeister Andreas Koch. Schließlich liegt der Ausländeranteil in Filderstadt bei 26 Prozent, im Stadtteil Bernhausen hat inzwischen die Hälfte der Kinder im Vorschulalter einen Migrationshintergrund – im Ortskern liegt der Anteil nur höher als im Neubaugebiet.

Aus Sicht der Stadt ist die Frage der Nationalität ohnehin zweitrangig: „Für die tägliche Arbeit im Kindergarten ist das völlig irrelevant“, betont Jens Theobaldt, der Leiter des Amts für Familie, Schulen und Vereine. Problematisch im Kindergarten auf der Burg sei allein, dass es durch die geringen Deutschkenntnisse der Zöglinge an Sprachvorbildern mangle.

Aus Sicht der Stadt wird „hervorragende Arbeit geleistet“

„Das bedeutet einen erhöhten Förderbedarf, die Erzieherinnen stehen vor besonderen Herausforderungen, stellt er fest. Katrin Bogenschütz-Langanki, als Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen in Filderstadt beschäftigt, sieht als größte Schwierigkeit bei der 100-Prozent-Quote, dass es sich bei der Elternschaft oft um vergleichsweise „bildungsferne Familien“ handle. Sie ist wie Theobaldt überzeugt, dass im Kindergarten auf der Burg „ganz hervorragende Arbeit geleistet wird“.

Durch den hohen Anteil an Kindern mit Sprachförderbedarf ist die Einrichtung mit 20 Prozent mehr Personal ausgestattet als üblich, zur Sprecherziehung kommt zwei Stunden pro Woche außerdem eine externe Kraft. „Als Ort der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit leistet die Einrichtung einen wesentlichen Beitrag zur Integration aller Kinder“, sagt Bogenschütz-Langanki.